Oje – das Geräusch des Weckerklingelns verebbt und wird nahtlos abgelöst vom Geräusch des Regens draußen. Es regnet in Strömen. So viel sei schonmal vorweggenommen: das wird sich heute auch nicht mehr ändern. Zum Glück haben wir heute nur eine kurze Etappe vor uns (wenn sie auch wegen der Umleitung ein kleines bisschen länger wird als gedacht).
Nach dem Frühstück werfen wir uns also in unsere Wandersachen, ziehen die Regenmontour drüber und verstecken die Kameras direkt ganz tief im Rucksack, damit sie auch ja nicht nass werden. Heute müssen Handy-Fotos reichen.
Vor dem Hotel treffen wir auf einen Angestellten, den wir noch flugs um ein Foto von uns bitten. Nun, die herrschenden 5°C haben ihn wohl etwas zittern lassen beim Fotografieren – nur allzu verständlich. ;)
Bevor wir unserer (Maler-)wege gehen, schauen wir noch schnell ein letztes Mal am schönsten Bastei-Ausguck überhaupt vorbei und verabschieden uns mental von hier.
Und dann geht’s mal wieder bergab. Wir steigen den gestrigen Rückweg hinab bis zum Amselgrund. Die Ausblicke, an denen wir gestern wegen Nebel nichts gesehen haben, sind heute zwar nicht ganz so reinweiß wie gestern – dafür allerdings herrlich nass. Wir lassen sie also links liegen (oder eben rechts) und konzentrieren uns darauf, nicht schon auf den ersten Metern komplett durchnässte Schuhe zu bekommen.
Der Regen hat den Wasserspiegel im Amselsee offenbar genug ansteigen lassen, als dass heute nicht mehr nur in der Mitte das Wasser „überfließt“, sondern gleich auf der kompletten Breite der Staumauer. Mittlerweile ist uns vom Laufen warm genug geworden, dass es Zeit wird, einen Teil der warmen Klamotten loszuwerden. Also kurze Pause unter einem kleinen Vordach und weiter geht’s.
Wir entscheiden uns, heute am rechten Ufer durch den Wald zu laufen, statt am linken Ufer über den befestigten Weg – den haben wir ja gestern bereits ausprobiert.
Am Ende des Sees nähern wir uns dem gesperrten Wegabschnitt und „freuen“ uns schon darauf, gleich durch die Schwedenlöcher steil wieder rauf und fast zurück zur Bastei zu laufen. Hoffnungsvoll gibt Mama sich dem Traum hin „vielleicht haben sie die Absperrung ja über Nacht weggeräumt“. Ja nee is klar. Träum weiter…
Einige hundert Meter weiter trifft mich allerdings fast der Schlag: an der Weggabelung hängen zwar noch die Infoschilder zur Umleitung – aber die solide rot-weiße Absperrung ist weg. Also… nicht zur Seite geschoben oder so… sondern weg. Verrückt.
Wir beratschlagen uns kurz, ob wir es wagen sollten, nun einfach den nicht mehr so richtig gesperrten (?) Weg zu gehen und beschließen, dass wir das Risiko eingehen. Wir werden die Strecke einfach zügig hinter uns bringen und nicht anhalten. So hat etwaiger Steinschlag weniger Treffer-Chance – und wir werden weniger nass. Gesagt, getan.
Auf die Art kommen wir nun nicht nur in den Genuss eines weiterhin vollkommen leeren Wanderwegs (heute noch niemanden getroffen unterwegs, sind wohl auch zeitig genug unterwegs), sondern wir kommen auch am Amselfall vorbei, den wir andernfalls hätten auslassen müssen. Der führt heute sogar richtig Wasser – was gerüchtehalber nicht immer der Fall ist.
Was macht es bei dem Anblick schon, dass ich kurz vorher durch eine Pfütze laufen muss, die den kompletten Weg einnimmt, sich nicht umgehen lässt und deren Tiefe ich guten Gewissens mit etwa zehn Zentimetern angeben kann, nachdem die Fluten über meinen Füßen zusammenschlagen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass das Wasser nicht wärmer ist als die Umgebung.
Weiterlaufen hält warm – besonders, wenn es bergauf geht. Und davon hat der Weg ausreichend zu bieten. Wir schrauben uns durch den wunderschönen Amselgrund hinauf in Richtung Rathewalde, wo wir alsbald auch ankommen.
Rathewalde hat eine kleine Kuriosität zu bieten: eine winzige, auf halber Höhe sich scheinbar an den Fels klammernde Kapelle. Ob und wie man da reinkommt…? Keinen Schimmer…
Ansonsten ist Rathewalde ein kleiner verschlafener Ort. Die Gaststätte am Ortseingang hat selbstverständlich heute Ruhetag. Schade. Ein wärmender Tee hätte was gehabt (ja, ich habe eine gewisse Skepsis gegenüber dem Kaffee der Gegend entwickelt).
Wir laufen weiter durch den unverminderten Regen. Über die Hälfte der heutigen Etappe liegt bereits hinter uns. Hinter Rathewalde geht es wieder in den Wald und nach einer Weile treffen wir auf eine kleine Wanderhütte (die erste übrigens, die wir auf dem Malerweg sehen). Ein Dach überm Kopf macht es zwar noch nicht warm, aber immerhin trocken. Perfekt für einen kleinen Snack und eine kleine Pause.
Das nächste Highlight, was uns heute erwartet, ist die Wolfsschlucht.
Die Wolfsschlucht ist ein extrem schmaler Weg zwischen hohen Felsen, der ausschließlich über eine rund 40cm breite Treppe begehbar ist. Sehr beeindruckend – und mit meiner mangelnden Schwindelfreiheit streckenweise auch einigermaßen abenteuerlich.
Nachdem dieses Abenteuer unbeschadet überstanden ist, ist es nicht mehr weit bis zu unserem Ziel. Kurz darauf laufen wir auch schon ins Polenztal ein. Nach wenigen Metern erreichen wir unser heutiges Etappenziel, die gleichnamige Pension, die hier praktisch mitten im Nirgendwo liegt und an drei Seiten von einer Fluss-Schleife umspült wird.
Wir klingeln an der Türe und fragen, ob wir wohl schon rein dürften (immerhin ist es grad erst Mittag). Ja klar, das dürfen wir – die Gaststätte würde allerdings erst abends öffnen, teilt man uns voller Bedauern mit. Um uns im nächsten Atemzug aber doch einen Kaffee anzubieten, falls wir den wollten. Klar wollen wir!
Erst mal ist allerdings eine heiße Dusche fällig – wir müssen unbedingt aus den pitschnassen Klamotten raus. Die verteilen wir dann zum Trocknen im ganzen Zimmer und dann holen wir uns den Kaffee (genau: wir sprechen nicht weiter drüber).
Den Nachmittag verbringen wir mit Lesen, faulenzen, Kaffeetrinken und trocknen. Am Abend gehen wir in die Gaststätte. Dazu muss man kurz um die Hausecke – und der nach wie vor strömende Regen zwingt uns, selbst für die paar Meter die Regenjacke überzuziehen. Grrr.
Das Abendessen ist einfach, aber lecker – und die Gaststätte wird erstaunlich voll. Das hätten wir hier am Ende des Polenztals gar nicht erwartet, aber offenbar zieht sie doch einige Leute aus der Gegend an. Und so klingt der Abend bei leckerem Essen und der Hoffnung aus, dass der Regen morgen bitte etwas nachlässt. Etappe zwei geschafft. :)
Gesamtanstieg: 206 m
Gesamtabstieg: -342 m
Gesamtzeit: 03:28:09
Sammel-Postkarte zu Etappe 2: „Felslandschaft im Elbsandsteingebirge“ von Caspar David Friedrich, Öl auf Leinwand von 1822/23