Bonifatiusroute Etappe 8: von Nösberts-Weidmoos nach Fulda

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Dom in Fulda
Dom in Fulda

Auf zur letzten Etappe! Nur noch 28km bis Fulda! Wie cool! Wie schade… So ungefähr sind die Gedanken, die mir beim Wachwerden durch den Kopf gehen. In der Nacht war es empfindlich kalt. Die 6 Grad waren nicht übertrieben. Morgens mache ich mir heute erst was Warmes zum Frühstück und baue hinterher erst das Zelt ab. Da ist nämlich morgens noch einiger Tau drauf und so gebe ich der Sonne die Gelegenheit, erst noch mein Zelt zu trocknen, bevor ich es einpacke.

Auf der Wiese neben dem Grundstück war die ganze Zeit schon ein Feldhase, der quasi mit mir zusammen (na ok, gleichzeitig) gefrühstückt hat. Beim Loslaufen hoppelt er von dannen – und ich staune, wie groß die Viecher sind.

Hinter Nösberts-Weidmoos freue ich mich wieder darüber, gefühlt alleine auf der Welt zu sein und genieße die Ruhe. Regelrecht beflügelt wandere ich in den Morgenstunden vor mich hin – und komme fast schon unanständig schnell voran.

Auf einer Wiese grasen friedlich zwei Rehe und springen in großen Sätzen über den Hügel, als sie mich wahrnehmen. Natürlich reicht das Handy mal wieder nicht aus, um das Ganze auch sinnvoll aufs Bild zu bannen.

Weiter geht’s über Wiesen und Hügel, durch Wälder und rundrum nix als Natur. Und plötzlich läuft auf dem Waldweg vor mir ein Fuchs. Der Wind steht günstig von vorne und der weiche Waldboden dämpft meine Schritte, so dass der Fuchs mich lange Zeit nicht bemerkt. Leider ist er relativ flink unterwegs, so dass ich auch nicht wirklich näher komme. Irgendwann hockt er sich an den Wegrand, vermutlich um sein Geschäft zu erledigen. Dabei schaut er sich um, guckt mich verdutzt an, realisiert dann, was los ist und rennt hurtig von dannen. Wäre er ein Mensch, hätte er vor Schreck vermutlich vergessen, die Hose hochzuhiehen :)

Dann komme ich nach Blankenau und es wird Zeit, mal wieder etwas Wasser aufzufüllen. Ich gehe durch den Ort, in dem am Samstagvormittag recht viele Leute geschäftig in ihren Gärten sind. So habe ich quasi die freie Wahl und entscheide mich für eine nett aussehende Dame in Kittelschürze, die gerade von der Gartenarbeit kommt und ins Haus will. Ich spreche sie an, ob sie mir etwas Leitungswasser in meine Flasche füllen würde. Leitungswasser? Sie können auch Sprudel haben! Nee nee, Leitungswasser reicht mir völlig aus, wirklich! Sie tappt von dannen und kommt kurz darauf wieder aus dem Haus – und reicht mir meine Flasche mit den Worten: schaun Sie, sprudelt noch!

Mega lieb gemeint… aber ich lasse dann die nächsten zwei Kilometer doch lieber den Deckel der Flasche offen und warte, bis die Kohlensäure weitgehend raus ist. Sprudelwasser beim Wandern… nee, das geht nicht.

Gegen halb elf gibt’s dann zweites Frühstück – mit Studentenfutter, Gummibärchen und Nicht-mehr-ganz-Sprudelwasser. Ein Drittel der Strecke ist bereits geschafft.

Auf Blankenau folgt Hainzell – und hier kann ich mal wieder nicht an einem Bäcker vorbeigehen. Ich erstehe einen Kaffee zum Mitnehmen und ein Nougatteilchen und nutze die unverhoffte Kundentoilette. Man soll Komfort ja auch nicht verschmähen, wenn er sich einem schon bietet. Vor dem Bäcker gibt’s keine Sitzgelegenheit, aber ein paar Meter weiter am Ortsausgang steht ein kleines Mäuerchen in der Sonne, auf dem es sich prima sitzen lässt. Der Kaffee schmeckt, das Nougatteilchen auch – aber es entpuppt sich als größer als gedacht und so wandert die Hälfte wieder in die Tüte und ab damit in den Rucksack. Mal sehen, wie lange das gut geht bei der Sonne.

Hinter Hainzell geht es zunächst durch den Wald und dann komme ich am Landgasthof Hessenmühle vorbei. Irgendwo las ich, dass es hier hervorragendes Essen geben soll. Aber zum einen hab ich ja grad noch mein Nougatteilchen gegessen und zum anderen will ich möglichst zeitig nach Fulda kommen, um noch etwas vom gemeinsamen Abend zu Hause zu haben. Also geht’s weiter ohne einzukehren.

Hinter der Hessenmühle geht es zunächst steil den Berg rauf und dann wieder in den Wald rein. Und weiter den Berg rauf. Und steiler den Berg rauf. Und weiter den Berg rauf. Himmel! Wer um alles in der Welt schleppt denn bitte eine Leiche auf steilstem Weg einen Berg rauf?! Hatten die ne Macke?? Es ist heiß und steil und ich keuche mich den Berg hinauf. Da fährt an mir vorbei ein Radfahrer mit E-Bike und meint „na, das letzte Stück bis Fulda schaffste auch noch!“ Pah, der hat gut Reden mit seinem Elektroantrieb. Aber… wieso weiß der, dass ich nach Fulda will? Hier gibt’s mehr als genug Wanderwege…

Ich schnaufe mich weiter den Berg hinauf – und dann geht es endlich wieder eben weiter. Und dann sogar ein wenig bergab. Als ich um eine Kurve komme, sehe ich ein E-Bike am Wegrand stehen. Ich gucke starr auf den Weg und gebe dem Radler die Chance, wieder hinter seinem Baum vorzukommen. Das tut er – mit den Worten „und schon haste mich wieder eingeholt“ – die ich kontere mit „und in diesem Moment überholt“. Wir kommen ins Quatschen und er berichtet, dass er auch auf der Bonifatiusroute unterwegs ist. Allerdings erst seit Altenstadt, denn da wohnt er. Ich frage ihn nach seinen Etappen und siehe da, seine Etappen sind fast exakt wie meine gewesen. Ich gucke sicherheitshalber noch mal auf sein E-Bike und kann nicht anders, als ein bisschen stolz auf mich zu sein. Die nächsten paar hundert Meter absolvieren wir praktisch gemeinsam, denn über wurzelige Wege kommt er mit seinem Rad nicht wesentlich schneller als ich zu Fuß. Doch dann ist er natürlich weg und verabschiedet sich mit „bis Fulda!“. Na, schauen wir mal ;)

Auf dem Rest des Weges laufe ich den Leidensweg Christi ab. Also… nicht wörtlich. Sondern in Form von Kreuzen an Bäumen mit kleiner Erläuterung dabei. Und das auch noch sozusagen rückwärts.

Dann komme ich aus dem Wald und an einer kleinen Kirche vorbei und habe von hier aus den ersten Blick auf Fulda. Noch zehn Kilometer bis zum Ziel, aber ich kann es praktisch schon sehen. Greifbar nah, denke ich. Spoiler: das soll sich gleich noch als Irrtum rausstellen.

Zunächst einmal zieht sich der Weg noch oberhalb des Ortes über die Felder. Dummerweise ist es vorbei mit Waldwegen und ich laufe nur noch über befestigte Schotterwege und Straßen. Ging es bis hierher wirklich easy und angenehm, merke ich plötzlich wieder meine Füße. Auf einmal wird jeder Schritt wieder unangenehm – und dann meldet sich auch noch der Rücken mit einem fiesen Ziehen. Ich mache Pause und lege mich kurz auf einer Bank hin. Danach geht’s mit dem Rücken wieder. Die Füße finden das trotzdem doof.

Tja… doch dann beginnt plötzlich ein Industriegebiet. Und die Bonifatiusroute führt genüsslich mitten hindurch. Kilometerweit geht es zwischen Industriehallen hindurch. Furchtbar. Und meine Füße streiken mit jedem Schritt mehr.

Irgendwann geht es wieder ein Stück über Felder und ich mache eine weitere Rast. Das halbe Nougatteilchen ist ja noch in meinem Rucksack und kommt jetzt genau richtig. Mein Rücken tut weh, meine Füße tun weh und ich vermisse den Wald.

Dann komme ich nach Fulda rein und der Großstadtlärm haut mich fast um. Die Bonifatiusroute ist an einer Kreuzung plötzlich in alle Richtungen ausgeschildert. Hä? Ich entscheide mich gegen die Hauptverkehrsstraße, auch wenn die vermutlich die kürzere Strecke ist – und nehme stattdessen die Nebenstraßen. Das stellt sich als die richtige Wahl raus, denn ich laufe zwar weiter über Straße, aber zumindest wird es für die letzten Kilometer noch mal grün und ruhig.

Dann noch ein Stück durch die Altstadt und dann stehe ich am Dom. Von Mainz nach Fulda. 183km. Zu Fuß. Ich hab’s geschafft :)

Ich gehe noch kurz in den Dom – und dann schleppe ich mich tatsächlich mit letzter Kraft zum Bahnhof. Zu dem sind es noch unerträgliche tausend Meter. In diesem Moment ist mir wirklich schleierhaft, wie ich die 183km bis hierher geschafft habe – denn es gibt nichts, was mir nicht fürchterlich weh tut grad.

Am Bahnhof hole ich mir ein Ticket am Automaten – mein Handy ist mittlerweile stromlos. Und dann zwingt mich das Nougatteilchen aufs Bahnhofsklo und ich verpasse sogar den Zug deswegen. Ich hätte es wohl doch nicht den halben Tag durch die Sonne tragen sollen… Zum Glück kommt eine halbe Stunde später wieder ein Zug. Als der einrollt und ich aufstehe, um einzusteigen, knarzt jeder Muskel in meinen Beinen. Autsch. Ich fühle mich, als wär ich hundert Jahre alt. Aber auch stolz. Und glücklich. Und ich überlege schon, wo ich als nächstes lang wandere.

PS: Die Dusche heute tut wirklich gut! :)))

183km down, 0km to go.

Andenken des Tages: endlich wieder schmerzende Füße

Erkenntnis für den PCT: Wann geht’s los??

Gesamtstrecke: 30.73 km
Gesamtanstieg: 334 m
Gesamtabstieg: -506 m
Gesamtzeit: 07:25:02

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