Bonifatiusroute Etappe 6: von Glauberg nach Glashütten

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Rastplatz bei Effolderbach
Rastplatz bei Effolderbach

Heute Morgen lasse ich mir bewusst Zeit. Zum einen will ich sicherstellen, dass ich auch nichts vergesse. Wäre ja echt doof, abends im Wald festzustellen, dass z.B. der Kocher noch zu Hause steht oder die Zahnbürste fehlt. Zum anderen entfällt heute die Heimfahrt und ich hab keine Lust, bereits am Nachmittag am Ziel zu sein. Ziel heißt heute nämlich: irgendwo im Wald hinter Glashütten. Ich nehme also wieder den späteren Zug und fahre ein letztes Mal die gleiche Bahnstrecke – diesmal bis zur vorletzten Station: Glauberg. Hier ist es heute mit dem morgendlichen Wind noch recht frisch, also kommt die Kapuze vom UV Shirt zum Einsatz. Mega :)

Gleich hinter dem Bahnhof geht es schon den ersten Anstieg rauf. Bei flugs noch einem Telefonat in der Sonne (und beim Versuch, den Wind abzuschirmen) kann ich aufwärmen und als ich anschließend noch kurz falsch abbiege, darf ich auch glatt noch ein paar Höhenmeter Strafrunde absolvieren.

Dann geht es über die Felder weiter und ab in den Wald. Herrlich, so darf es weitergehen :) Es läuft sich traumhaft und ich komme super voran. Auch wenn der Rucksack heute vergleichsweise schwer ist. Dank 4 Litern Wasser und Verpflegung für 3 Tage kommt er auf ein Startgewicht von 12,5 kg. Absicht, denn damit müsste ich auf dem PCT auch starten. Je nach Wassersituation wahrscheinlich eher etwas mehr.

Es läuft sich traumhaft durch den Wald – und als es auf Mittag geht, komme ich an einen perfekten Rastplatz oberhalb von Effolderbach. Offiziell ist der wegen Corona geschlossen, aber ich interpretiere, dass sich das auf die Nutzung durch Gruppen bezieht, die sich hier dank der Infrastruktur durchaus anbieten würde.

Ich esse meinen mitgebrachten Bulgur-Salat (ja, diesmal hab ich dran gedacht) und genieße die Aussicht.

Zum Dessert gibt es noch ein paar Gummibärchen und dann geht es weiter. Schließlich hab ich erst 6 km hinter mir und noch knapp 20 km vor mir. Jedenfalls, wenn mein (zugegebenermaßen recht vager) Plan aufgeht und ich da zelten kann, wo ich es mir vorgenommen habe. Die Karte zeigt Wald… aber sollte da z.B. ein Naturschutzgebiet sein oder so, muss ich mir was neues überlegen. Also erst mal weiter. Erfreulicherweise bleibt es phantastisch waldig.

Und auch die Waldfenster tauchen wieder auf und so gibt’s gratis dazu noch das ein oder andere zu lernen. Ach ja – und Wildlife gibt’s wieder zu sehen :)

Als ich langsam doch wieder Hunger bekomme, kommt erfreulicherweise auch wieder eine gute Gelegenheit des Weges – sogar mit Schatten. Denn außerhalb des Waldes in der Sonne ist es mittlerweile garstig heiß.

Einen Snack und einiges Wasser später mache ich mich wieder auf den Weg. Ich hab gerade mal die Hälfte der Strecke geschafft bislang. Auch wenn mich ein fehlgeleiteter Wegweiser etwas anderes glauben lassen will…

Die 60km nach Fulda kommen grob gerundet ja noch hin. Aber dass ich erst 90km seit Mainz gelaufen sein soll, ist eine glatte Lüge und unterschlägt gute 20km. Ich weiß es – ich hab jeden einzelnen davon in den Beinen!

Weiter geht’s – zunächst kurz hinab nach Lißberg. Am Ortseingang sitzt eine ältere Familie gemütlich im Garten und ich überlege kurz, nach Wasser zu fragen. Aber eigentlich hab ich noch genug und es kommen ja noch ein paar Orte, da muss ich das nicht die ganze Zeit mitschleppen. Lißberg selbst ist kurz und steil – und es gibt außer ein paar Wohnhäusern nichts. Ach doch – den Ausblick auf einen Turm.

Flugs geht es einmal ins Tal hinab und andere Seite wieder hinauf – und wieder ab in den Wald. Dort laufe ich weiter Richtung Hirzenhain, dem nächsten Ort. Unterwegs läuft plötzlich ein Reh vor mir über den Weg. Guckt mich kurz verdutzt an und läuft weiter, als wär nix gewesen.

Als der Weg abbiegt, scheint er plötzlich weitgehend verschwunden. Zugewachsen und mit querliegenden dünnen Baumstämmen, ist er kaum als Weg zu erkennen. Das müssen sich andere auch gedacht haben und nicht gewusst, dass die Bonifatiusroute über diesen Nicht-Weg führt. Denn plötzlich steht quasi mitten auf dem Nicht-Weg ein Zelt.

Ungeniert bauen die beiden zugehörigen Gesellen ihre Campingutensilien auf – Campingtisch und -stühle inklusive. Ich staune nicht schlecht. Es ist gerade mal Nachmittag. Und ich hab mir Gedanken gemacht, nicht zu früh anzukommen ;)

Dafür findet sich beim Weitergehen noch ein kleines Dessert. Da freut sich der Wanderer und genießt.

Dann komme ich nach Hirzenhain. Hier führt der Weg zunächst noch recht nett an einem Weiher vorbei, um anschließend merkwürdig über einen Supermarkt-Parkplatz geleitet zu werden. Nun ja. Ich überlege kurz, ob ich noch etwas brauche, entschließe mich aber, einfach im nächsten Ort irgendwo nach Wasser zu fragen. Was soll ich sonst mit dem Flaschenmüll.

Aus Hirzenhain raus führt die Straße kräftig bergan – und ein Einheimischer grinst mich breit an: „Anstrengend, was?“ Hmpf. Ja ok, ich schnaufe… mit meinem Rucksack und so.

Dann geht es wieder in den Wald und sogar der Nachhaltigkeitspfad mit seinen Stationen taucht wieder auf.

Schließlich komme ich nach Glashütten, dem letzten Ort, durch den ich heute kommen will. Hier wird es nun höchste Zeit, den Wasservorrat aufzufüllen. Es ist beste Abendessenzeit und das Wetter ist traumhaft. Leider animiert das die Glashüttener nicht, ihr Essen im Garten einzunehmen. Es ist keine Menschenseele draußen zu sehen. Hmpf. Dafür laufe ich an einem Garten vorbei, den ich tatsächlich kürzlich irgendwo auf Youtube gesehen hatte – weil da jemand den Corona-Lockdown genutzt hat, um seine Modelleisenbahn mal in etwas größerem Stil aufzubauen. In echt auch durchaus beeindruckend.

Nur Wasser hab ich leider kaum noch welches. Ich weiß, dass mein geplantes Nachtlager in der Nähe eines Baches ist. Bis dahin sind es noch gute 3km. Dort sollte ich also hoffentlich Wasser finden.

Dummerweise geht es die 3km auch fast vollständig über Feldwege ohne jeden Schatten. Und die Abendsonne brennt erbarmungslos vom Himmel. So langsam klebt die Zunge am Gaumen fest.

Dann komme ich endlich wieder in den Wald – und nun heißt es auch, die Augen nach einem geeigneten Platz für mein Zelt offen zu halten. Zum Glück ist schon mal kein Schild zu sehen, was auf ein Naturschutzgebiet oder sonstwas hindeutet. Ich beschließe, zunächst mal zu dem Bach zu gehen und Wasser zu holen.

Am Bach angekommen, stehe ich auf einer Brücke – der Bach fließt einige Meter tiefer darunter durch. Kein Rankommen von hier. Also erst mal an der Uferböschung entlanggehen und schauen, wo man ans Wasser kommt. Ich habe Glück und schnell ist eine Stelle gefunden. Juhu!!

Beruhigt trinke ich die letzten Tropfen meines Vorrats in Flaschen aus und packe die Wasserblase mit Bachwasser ein. Und dann suche ich mir ein Plätzchen für die Nacht…

Zelt aufgebaut, und dann will ich das frisch geholte Wasser filtern. Da hier überall auf den Feldern rundum Kühe weiden, will ich das Wasser nicht unbedingt einfach so trinken. Außerdem ist die Tour ja mein kleiner PCT-Ersatz und da müsste ich schließlich auch filtern. Also Filter auf die Wasserblase geschraubt und – schade. Das Wasser läuft überall lang, nur nicht durch den Filter. Verdammt, hab ich was falsch gemacht? Zu Hause hat das doch ganz einfach funktioniert?! Und dann dämmert mir, dass ich das zu Hause mit den zum Filter mitgelieferten Wasserbeuteln versucht habe. PET Gewinde ist noch lange nicht gleich PET Gewinde. Das der Platypus passt offenbar nicht zum Sawyer Squeeze. Hmpf. Was soll’s. Meine Gaskartusche ist noch fast voll – dann wird eben abgekocht.

Zum Abendessen gibt’s Knorr Nudeln mit Bolognese-Sauce. Erfahrungsgemäß schmecken die Fertiggerichte draußen und nach Bewegung immer wesentlich besser als sie zu Hause schmecken würden. Das gilt für dieses leider nicht. Aber nun ja – es macht satt.

Wie ich feststellen muss, hab ich natürlich trotzdem was zu Hause vergessen: nämlich den Tee. Dafür hab ich mehr als genug Instant Kaffee dabei, also gibt’s eben noch einen Schlummer-Kaffee vorm Schlafengehen.

Dann geht’s in die Heia, denn mittlerweile ist die Sonne weg und es wird empfindlich frisch. Für die Nacht sind 10°C angesagt… denen nähert es sich gerade an. Na denn… gute Nacht :)

133km down, 50km to go.

Andenken des Tages: Süße Träume mitten im Wald :)

Erkenntnis für den PCT: Ja, das ist genau das, was ich machen will! (Aber ich sollte zusehen, immer genug Wasser zu haben. Und ich brauche filterkompatible Wasserblasen.)

Gesamtstrecke: 25.66 km
Gesamtanstieg: 535 m
Gesamtabstieg: -335 m
Gesamtzeit: 07:54:08

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