Von Esso über Milkowo nach Malki – oder: Russland verliert und Michail kann nur ostdeutsch

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Zwischen Milkowo und Malki

Heute ist ein großer Tag: nachdem Deutschland ja schon im Achtelfinale eklatant aus der WM geflogen ist, spielt heute Russland gegen Kroatien im Viertelfinale. Dank Zeitverschiebung beginnt das Spiel, das in Sotschi „gestern“ Abend läuft, bei uns heute Morgen um sechs – und natürlich haben wir gestern Abend beschlossen, dass wir Frühstück mit Fußball machen werden und auf gar keinen Fall losfahren, bevor unsere russischen Guides ihrer Mannschaft die Daumen drücken konnten. Im Essensraum hängt ein kleiner Fernseher über dem Frühstückstisch, so dass das alles gar kein Problem ist. Denkt man. Nach etwa einer halben Stunde haben die Männer (sogar Schenja kam heute zum Frühstück dazu) den Fernseher soweit bearbeitet, dass sowohl Bild als auch Ton und schlussendlich sogar beides synchron vorhanden sind.

Anton hat zur Feier des Tages wieder Aladuschki gemacht und wir haben fürs Frühstück ausgiebig Zeit. Sozusagen neunzig Minuten plus Halbzeitpause. Und dann noch Verlängerung. Und dann auch noch Elfmeterschießen. Aus einem geplanten entspannten Frühstück wird ein nervenaufreibender Fußballkrimi, den Russland schließlich 3:4 verliert. Ich glaube, wir haben fast mehr mitgefiebert als unsere Russen (außer der kleine Sascha, der ziemlich gelitten hat), aber es hat echt Spaß gemacht.

Nach dem Frühstück stapeln wir wieder einmal alles in den Kamaz und brechen auf. Heute haben wir wieder eine lange Fahrt vor uns: es geht über Milkowo (Ми́льково) nach Malki (Малки). In Malki gibt es heiße Thermalquellen, in denen man baden kann. Und außerdem wird hier morgen unser nächstes Abenteuer starten, wenn wir nämlich zum Rafting auf der Bystraja (Быстрая)starten.

Da wir weitgehend auf zumindest gut gewalzten Schotterstraßen fahren, machen wir von der Straßen-Skala heute nicht viel Gebrauch. Dafür genießen wir die phantastische Landschaft voller schneebedeckter Vulkane, leuchtender Birkenwälder und blühender Wiesen.

In Milkowo machen wir Mittagspause und gehen wieder in der Kantine essen, die wir auf dem Hinweg schon kennengelernt haben. Auch heute steht Breschnew nicht auf der Bühne, aber das Essen ist trotzdem lecker.

Anschließend ist hier großes Einkaufen vorgesehen. Während also Regina und Anton den örtlichen Supermarkt leerkaufen, um uns die nächsten Tage durchzufüttern, schlendern wir über den Dorfplatz, bestaunen das Lenin-Denkmal, die (nicht ganz so) zeitgenössische Kunst an den Häuserfassaden – und treffen auf Michail. Michail läuft auf dem Dorfplatz herum, hatte zum Frühstück vermutlich schon den einen oder anderen Vodka verkostet (natürlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken) und spricht einige Worte deutsch. Wie er schnell erklärt (also, so schnell er seine Zunge halt sortiert kriegt), spricht er allerdings nur ostdeutsch. Denn früher, da war er mal bei der Armee und da hätte er eben Ostdeutsche getroffen… und ostdeutsch gelernt. Wir werden schnell seine Freunde. Sogar Adrian. Obwohl er Schweizer und kein Ostdeutscher ist, wie Michail nicht umhin kommt, festzustellen. Anton versucht mehrfach, uns von Michail zu befreien – aber wir haben unseren Spaß und sonst gibt es ja nicht viel zu tun.

Außer, dass wir dann flugs noch mal in einen kleinen Spirituosen-Laden gehen, wo es (im Gegensatz zum Supermarkt) Vodka gibt. Nein, nicht für Michail, sondern für unsere gemeinsamen Abende. Nachdem Anton immer mal welchen ausgegeben hatte, müssen wir uns jetzt ja mal revanchieren. Also erstehen wir eine kleine Auswahl aus dem örtlichen Sortiment und weiter geht’s mit dem Kamaz. Die Landschaft, durch die wir fahren, ist einfach grandios – umso mehr, als uns das Wetter mehr als hold ist.

In Malki angekommen, heißt es zunächst wieder einmal Zelte aufbauen. Anton führt wieder vor, wie es geht – und dann dürfen wir es ihm nachtun. Dann schnappen wir uns Badesachen und Handtücher und laufen zu den heißen Quellen. Hier ist offensichtlich ein beliebter Treffpunkt, denn es tummeln sich noch einige andere hier. So warm die Quellen auch sein mögen, die Luft ist es nicht. Und so kann ich mich nur dazu überwinden, mit dicker Daunenjacke am Rand zu sitzen und meine Füße zu wärmen. Das ist tatsächlich sehr angenehm. Andere aus unserem Trüppchen sind da mutiger und fühlen sich offenbar pudelwohl im Wasser.

Zum Abendessen lernen wir wieder etwas neues: der Russe trinkt den Vodka nämlich nicht wie wir nach dem Essen, sondern zum Essen. Und wenn man damit anstößt, darf sich der Trinkspruch auch nicht auf etwas in der Zukunft beziehen, sondern nur auf etwas, was schon geschehen ist. Da das ganze neue Wissen natürlich ausführlich angewandt werden will, bringen wir so zwei, drei Ründchen Vodka rum, bevor wir uns in unsere Zelte verkriechen.

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