Etappe 4: Shira 2 Camp (3.850m) über Lava Tower (4.600m) bis Barranco Camp (3.900m)

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Lava Tower Camp in Sicht
Lava Tower Camp in Sicht

Der erste Check nach dem Wachwerden: keine Kopfschmerzen. Großartig! Außerdem geht gerade die Sonne auf, das nächtliche Eis schmilzt fix und der Tag könnte eigentlich kaum besser starten. Das Ziel heute ist das Barranco Camp auf annähernd gleicher Höhe. Davor allerdings werden wir zum Lava Tower auf 4.600m aufsteigen und damit eine Höhe erreichen, die neu für uns ist. Wir sind (an)gespannt, aber auch vorsichtig optimistisch. Der morgendliche Medical Check jedenfalls sieht ganz gut aus – wenn man milde über meinen dreistelligen Puls hinwegsieht… räusper.

Medical Check am Morgen:

  • Befinden: 10/10
  • Sauerstoff: 93
  • Puls: 111 (urks… 9 Schläge bis zu Rashids Grenzwert)
  • Lunge: frei
  • Kopfschmerzen: nein
  • Übelkeit: nein
  • Übergeben: nein
  • Durchfall: nein
  • Diamox: nein

Wir starten die heutige Tour auf dem gleichen Anstieg, den wir gestern schon für die Akklimatisierungstour genommen haben. Heute läuft er sich direkt schon ein wenig einfacher. Und definitiv fühlt sich heute alles viel besser an als gestern Morgen. Beim Blick zurück auf das im Abbau befindliche Camp zeigt sich gleich das nächste gute Omen für den Tag:

Auch wenn die Sonne scheint – es ist bitterkalt. Und so laufen wir trotz des Anstiegs zunächst mit Fleece und Daunenjacke los und verstecken das Gesicht und die Hände vor dem kalten Wind.

Es geht lange bergauf… und dann geht es weiter bergauf. Zwischendurch geht es ein paar hundert Meter nur ein ganz kleines bisschen bergauf… und dann geht es wieder bergauf. So ist es denn auch kein Wunder, dass wir bald die letzte Vegetation hinter uns lassen und in die Alpine Desert Vegetationszone vorstoßen. (Warum heißt es eigentlich Vegetationszone, wenn es keine Vegetation gibt?)

Zwischendurch haben wir alle aktuellen Wolken unter uns gelassen und haben einen grandiosen Blick auf den Mount Meru – den zweithöchsten Berg Afrikas. Leider sind die Wolken schneller wieder da, als die Kamera bereit ist und so bleibt der Blick nur eine schöne Erinnerung. Dafür bekommen wir ab und zu wieder unser eigentliches Ziel durch die Wolkenfetzen zu sehen.

Schließlich haben wir uns auf 4.300m hochgearbeitet – und dann geht es plötzlich bergab. Das läuft sich zwar angenehm, allerdings wissen wir nicht nur, dass wir eigentlich noch 300m höher müssen, sondern wir können es auch sehen. Eine nicht endende Schlange von Menschen schiebt sich Schritt für Schritt dem Lava Tower entgegen. Die Touries langsam, die Träger schnell. Immerhin: hier oben laufen auch nicht mehr alle Träger im Joggingschritt den Berg rauf und einige sehen fast sowas wie ein bisschen k.o. aus.

Ein Träger sieht tatsächlich nicht nur ein bisschen, sondern richtig k.o. aus. Er läuft noch langsamer als wir und scheint unter seinem Gepäck regelrecht zu wanken. Besorgt beobachten wir ihn und fragen Rashid, ob mit ihm alles ok ist. Rashid bejaht und erklärt, dass es für den Träger die erste Tour ist. Wir sind trotzdem happy, als Stan ihm das letzte Stück den Berg hoch sein Gepäck abnimmt und der arme Kerl ohne Gepäck weitergehen kann.

Auch uns holen kurz vor dem Lava Tower wieder zwei unserer Träger ab und übernehmen unsere Rucksäcke. Nicht notwendig, aber trotzdem cool – zumal das offenbar kein Standard ist, wie wir bei den Gruppen um uns herum beobachten.

Die letzten Meter Anstieg zum Lava Tower sind dann tatsächlich noch mal recht tough – ich schnappe ganz schön nach Luft. Die ist nun doch deutlich dünner geworden hier oben. Aber dann ist es geschafft – wir haben den Lava Tower und damit einen neuen persönlichen Höhenrekord erklommen.

Hier oben – wo es weit und breit kein Wasser gibt – bekommen wir tatsächlich wieder das volle Programm: Abstauben, Hot Shower und warmes Mittagessen im aufgebauten Essenszelt. Insbesondere letzteres ist inzwischen sehr willkommen – denn der Anstieg hat doch einiges an Kalorien verbraucht und außerdem ist es hier oben in den Wolken wieder ziemlich frisch. Das Klozelt steht einen kleinen Höhenmeter tiefer – zehn winzige Schritte, die uns auf dem Rückweg echt keuchen lassen. Verrückt.

Nach dem Essen wird es Zeit, unseren Körper wieder aus der Höhe wegzubewegen (wir bemerken auch mal wieder leichte Kopfschmerzen) – und außerdem haben wir noch einiges an Abstieg bis zum heutigen Tagesziel vor uns. Den Abstieg teilen wir uns jetzt mit deutlich mehr Menschen. Denn während auf dem bisherigen Weg einzig die Lemosho Route verlief, treffen wir hier am Lava Tower mit der Machame-Route zusammen.

Der Abstieg führt uns zunächst über das gleiche steinige Lavagelände wie schon der Aufstieg. Leider verflüssigen sich die Wolken, durch die wir laufen, immer mehr, so dass wir nach einer Weile die Regenjacken auspacken und drüberziehen. Nach einer Weile treffen wir dann wieder auf die ersten Pflanzen – und kurz vor dem Barranco-Camp laufen wir durch einen regelrechten Senezien-Garten.

Natürlich werden wir auch hier wieder von unseren Trägern in Empfang genommen und bekommen die letzten Meter unsere Rucksäcke getragen. Ich muss sagen: man kann sich dran gewöhnen ;)

Was wir heute auch gesehen haben, war die erste weibliche Trägerin – Wahnsinns Leistung mit dem schweren Gepäck und dann mit der Geschwindigkeit. Stand den anderen Trägern in nix nach. Besonders toll war, wie sie von allen den ganzen Weg über gefeiert wurde. Das hat echt Freude gemacht.

Das Barranco Camp ist gigantisch groß. Es zieht sich irgendwie über den halben Bergrücken und wir sehen gefühlte 500 Zelte aufgebaut. Beeindruckend – und ein bisschen auch erschreckend. Wir tragen uns ins obligatorische Camp Register ein, lassen uns abstauben, bekommen unsere Hot Shower – und dann ist es auch schon Zeit fürs Abendessen.

Während des Essens allerdings muss ich mal kurz den Tisch verlassen – was sich draußen abspielt, ist einfach zu schön, um es einfach vorbeiziehen zu lassen.

Das Verrückte ist, dass es nach dem Abendessen nicht weniger grandios wird. Über uns tut sich ein unfassbarer Sternenhimmel auf. Mit dem Wärmflaschenhäschen unter der Daunenjacke lege ich die Kamera auf einem Stein ab (nein, man schleppt einfach kein Stativ den Berg rauf) und versuche, die Sterne zumindest rudimentär festzuhalten.

Schließlich ist es aber schon fast 20 Uhr und Rashid „ermahnt“ uns, nicht zu lang zu machen – morgen geht es schließlich wieder früh raus. Nun denn… noch eine Tasse Tee, dann schnell Zähneputzen (jepp, natürlich mit Wärmflaschenhäschen unter der Jacke, denn es ist abartig kalt inzwischen) und dann ab in die Falle. Nach 21 Uhr ist praktisch Mitternacht und in keinem Lager noch irgendwelche Action. Hier braucht jeder Körper allen Schlaf, den er kriegen kann.

Innerhalb von elf Kilometern 1.000m hoch auf einen neuen Höhenrekord und fast 800m wieder runter. Und es geht uns super. Ein guter Tag :)

Medical Check am Abend:

  • Befinden: 10/10
  • Sauerstoff: 92
  • Puls: 97 (yeah, trotz Höhenrekord wieder zweistellig :))
  • Kopfschmerzen: nein
  • Übelkeit: nein
  • Übergeben: nein
  • Durchfall: nein
  • Diamox: nein
Gesamtstrecke: 10.45 km
Gesamtanstieg: 975 m
Gesamtabstieg: -780 m
Gesamtzeit: 10:19:58

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