Nach dem Frühstück werden wir in unserer Lodge abgeholt und treffen zum ersten Mal auf unseren Guide Rashid und unseren Assistant Guide Stanley (fortan eigentlich nur Stan). In der Lodge wird noch unser Gepäck gewogen (es dürfen maximal 16kg sein) und wir bekommen behandeltes Trinkwasser. Das füllen wir in unsere 3-Liter-Trinkblasen und sollten damit für den ersten Tag sehr gut ausgestattet sein. Dann geht es los, denn der Wetterbericht sagt: heute ist ein guter Tag, um den Kili zu besteigen! :)
Mit dem Auto geht es zunächst in Richtung Londorossi-Gate. Auf dem Weg dorthin die erste Überraschung: ein paar Zebras und Giraffen haben offenbar einen kleinen Ausflug aus ihrem sonst gewohnten Lebensraum gemacht und wir bekommen quasi gratis noch eine Mini-Safari dazu. Leider sind sie aber zu weit weg, als dass Fotos funktionieren würden. Das dicke Safari-Tele haben wir nämlich in der Lodge gelassen (und hoffen, es nach dem Berg auch noch wieder anzutreffen ;)).
An einer Tankstelle wird getankt und wir spazieren einmal durch den angeschlossenen Supermarkt. Dabei fällt uns auf, dass wir keinen Schimmer haben, wie der Wechselkurs eigentlich ist – wir haben bislang ausschließlich in US-Dollar gedacht, weil auch sämtliche Preise und Trinkgelder in der Reisebeschreibung immer in Dollar angegeben waren. Da wir auch keinen einzigen Tansanischen Schilling in der Tasche haben, sind wir komplett ahnungslos, was die Landeswährung angeht. Macht aber nichts, wir wollen eh grad nichts kaufen. Stattdessen nutzen wir noch eben die Toilette. Ein Wort zu den örtlichen Gegebenheiten: fast alle Toiletten sind mit Wasserspülung und das Klopapier kommt auch ins Klo und nicht in nebenstehende Eimer – überrascht uns tatsächlich ein wenig.
Nach dem Tankstopp geht es weiter und wir lassen uns von unserem Guide Rashid erklären, wozu es an den Tankstellen überall Kerosin zu kaufen gibt: es wird für die Beleuchtung an Straßen etc. genutzt. Wieder was gelernt. Irgendwann biegen wir von der Straße ab und es geht über eine Art Forstweg weiter. Tatsächlich kommen wir auch durch einen bewirtschafteten Forst, bei dem Rashid eine Art Gebühr fürs Durchfahren zahlen muss, wenn wir das richtig verstanden haben.
Wir ruckeln noch ein Stück weiter durch Wald und Feld, bis wir plötzlich am Londorossi-Gate ankommen. Hier machen wir Mittagspause und während unsere Guides die Träger treffen und das Gepäck verteilt, gewogen und kontrolliert wird, bekommen wir eine Lunchbox und heißen Tee. Was wir hier noch nicht ganz mitschneiden, aber später klar wird: wir lernen erstmalig unseren „Waiter“, also unseren Kellner kennen. Sospeter ist ein junger Kerl, der auf eine so süße Art völlig unbeholfen, aber wahnsinnig nett ist, dass wir noch viel Spaß mit ihm haben werden.
Beim Essen unterhalten wir uns mit anderen Bergsteigern. Da ist ein Belgier, der solo unterwegs ist, weil es keine Gruppe gab, der er sich noch hätte anschließen können. Da sind Unmengen US-Amerikaner, die zum Großteil keinerlei Bergerfahrung mitbringen und nur bedingt wissen worauf sie sich hier einlassen. Und dann sind da noch zwei, die so riesige Rucksäcke dabei haben, als würden sie ihr ganzes Gepäck selbst schleppen. Wir wundern uns – die Auflösung dazu sollen wir am Abend bekommen.
Nach dem Essen fahren wir noch eine gute Stunde weiter, bis wir endlich am Lemosho-Gate ankommen, dem eigentlichen Startpunkt unserer Kili-Besteigung. Hier zieht sich ein Teil der Träger noch mal um – denn am Gate müssen sie nachweisen, dass sie adäquate Bekleidung dabei haben. (Adäquat ist offenbar ein dehnbarer Begriff, denn wir sehen auch viele Jeans, völlig zerschlissene Turnschuhe und Baumwoll-Pullis und ähnliches. Wir nehmen uns vor, einen kritischen Blick auf unsere eigene Mannschaft zu werfen, wenn wir sie denn mal in Summe zu Gesicht bekommen.) Jetzt noch schnell ein Beweisfoto am Startpunkt – und dann geht es tatsächlich endlich los.
Laut Gate-Schild haben wir nun 7km (4 Std) bis zu unserem ersten Camp, dem Mti Mkubwa Camp, vor uns. Was an 7km allerdings 4 Stunden dauern soll, ist uns nicht klar. Aber wir kennen ja auch den Berg noch nicht. Also abwarten. Wir starten denn auch direkt bergauf – durch feuchtwarmen Bergregenwald. Es dauert keine 100m und ich schwitze ordentlich. Und ja, ich keuche auch etwas. Und irgendwie ist vom berühmten Kili-Besteigungs-Motto „pole pole“, was Kishuaheli für „langsam langsam“ ist, nicht viel zu merken, wie wir Stan so hinterherstapfen. Das kann ja lustig werden…
Die Träger, die uns mit ihren abenteuerlichen Gepäcktechniken permanent überholen, rennen teils im Laufschritt an uns vorbei. Wir kennen das ja schon vom Inka-Trail in Peru und vom Annapurna Circuit in Nepal, aber es ist einfach immer wieder beeindruckend, was die Jungs leisten. Nachdem Träger hier lange Zeit wirklich mies behandelt wurden, hat sich die Situation inzwischen dank Regulierung (insb. auf Betreiben von NGOs) deutlich verbessert. Das Gepäck ist auf 20kg pro Träger limitiert. Immer noch ein irres Gewicht – insbesondere, wenn man herausfindet, dass die 20kg zusätzlich zu ihrem persönlichen Gepäck zählen.
Es dauert nicht lange, da entdeckt Stan in den Bäumen die ersten Affen: Blue Monkeys. Und gleich danach auch noch Black and White Colobus Monkeys. Mega – da hat sich die Routenwahl schon gelohnt. Denn die Lemosho-Route ist die einzige, auf der man eine so gute Chance auf Affen hat.
Schlussendlich kommen wir trotz diverser ausgiebiger Foto-Pausen nach zweieinhalb Stunden Bergaufgehen am Mti Mkubwa Camp an. Mti Mkubwa heißt übrigens großer Baum – und davon gibt’s hier tatsächlich einige.
Wir wundern uns noch, wie es sein kann, dass wir im Vergleich zur ausgeschriebenen Zeit für die ausgeschriebenen 7km so schnell waren, als wir auf der Rückseite des Schildes die Entfernung zurück zu unserem Startpunkt finden. Hmmm…
Aus 7km werden rückwärts auf einmal nur noch 3km? Das ist aber merkwürdig, wo es doch der identische Weg ist… Da würde jetzt ein Blick aufs GPS helfen – wenn wir nicht am Startpunkt verpeilt hätten, es einzuschalten. Das haben wir erst nach etwa einer Stunde Wegzeit nachgeholt und so muss Stan uns verraten, dass die tatsächliche Wegstrecke irgendwo ziemlich genau in der Mitte, nämlich bei 5,5 km liegt. Da ergeben dann auch unsere zweieinhalb Stunden Gehzeit Sinn.
Wir lernen, dass wir uns in jedem Camp zunächst registrieren müssen und tragen uns brav ins Campregister ein. Dieses wird genutzt, sollte es zu irgendwelchen Unglücken kommen, denn so weiß man, wer gerade mit wem wo auf dem Berg unterwegs ist.
Wie man am jetzt drübergezogenen Fleece sieht, ist es ohne Bewegung plötzlich gar nicht mehr so warm – wir befinden uns eben doch schon auf 2.650m Höhe, noch dazu ohne Sonne.
Rashid führt uns zu unserem Zelt, das bereits aufgebaut ist. Drinnen liegen unsere (echt mega dicken) Isomatten und die Duffelbags mit unserem Gepäck. Und das beste: alles in meiner Lieblingsfarbe! Wenn das mal kein gutes Omen für die Besteigung ist! :) Dann bekommen wir noch Christopher vorgestellt, der Mann, der für alles rund um unser Klo verantwortlich ist. Jepp, der Mann mit dem Scheiß-Job. Allerdings muss man sagen, dass das ein ziemlich begehrter Job ist, weil der Trinkgeld-Anteil höher ist. Und zum Glück wissen wir uns ja zu benehmen…
Außerdem bekommen wir von Sospeter die „Hot Shower“ hingestellt: ein Eimer voll warmen Wassers mit kleinem Hahn dran. So ist eine prima Katzenwäsche möglich und wir werden den Schweiß des Anstiegs los.
Wir schlendern noch etwas durchs Camp, was sich mittlerweile über eine krass große Fläche erstreckt. Außerdem bekommen wir die Auflösung für die zwei Jungs mit den riesigen Rucksäcken. Wir treffen sie nämlich wieder, wie sie gerade dabei sind, ihr Gepäck aus ihren Rucksäcken zu holen und ihre Zelte aufzubauen. Die beiden sind nur mit Guide und wenigen Trägern unterwegs und tragen das meiste selbst. Respekt. Witzig ist, wie sie ihre Einmann-Zelte aufbauen und die einheimischen Guides sich schlapp lachen ob der winzigen Größe der Zelte. Es hagelt schallendes Gelächter und Kommentare à la „das soll ein Zelt sein??“. Großartig. Sowas haben sie wohl noch nicht gesehen…
Zum Abendessen gibt es gebratenen Fisch. Wir fragen uns kurz, warum genau wir bei der Anmeldung und auch beim Briefing noch mal angegeben hatten, dass Dominik keinen Fisch isst, aber es ist so reichhaltig, dass er auch ohne Fisch gut satt wird.
Nach dem Abendessen passiert das Größte überhaupt: Sospeter bringt uns jedem ein Plüschhäschen mit einer Wärmflasche drin. Klingt witzig und wir haben uns auch gut amüsiert (warum schleppt jemand sowas den Berg rauf??), aber soviel kann ich vorweg nehmen: wir werden sie noch lieben lernen!!
Danach kommt Rashid ins Essenszelt und gibt uns das Briefing für den nächsten Tag. Wo geht es lang, wie lange werden wir unterwegs sein, welche Pausen werden wir machen, in welchen Höhen bewegen wir uns, welches Wetter erwartet uns, wie sollen wir uns kleiden, was muss in den Rucksack. Anschließend folgt der Medical Check, den es ab sofort morgens und abends geben wird. Es wird der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen, der Puls wird gemessen und es werden eine ganze Reihe Fragen zum Befinden gestellt, beginnend mit der Frage, sein Befinden auf einer Skala von 1 (ganz schlecht) bis 10 (supidupi) einzuordnen – und natürlich zu begründen, sollte man nicht bei 10 sein. Alles, um rechtzeitig Anzeichen von Höhenkrankheit zu bemerken.
Medical Check am Abend:
- Befinden: 9/10 (bin müde)
- Sauerstoff: 96 (megagut)
- Puls: 89 (hui)
- Kopfschmerzen: nein
- Übelkeit: nein
- Übergeben: nein
- Durchfall: nein
- Diamox: nein
Vielleicht noch abschließend ein Wort zu Diamox… dabei handelt es sich um ein Medikament, was gegen Höhenkrankheit helfen soll. Die Amis schwören drauf und nehmen es fast alle prophylaktisch. Unsere Ärzte raten aus zwei Gründen davon ab. Zum einen kann es die Symptome unterdrücken, so dass man sich zwar besser fühlt und den Berg tatsächlich besser hoch kommt, aber gleichzeitig besteht so das Risiko, dass man nicht rechtzeitig merkt, dass man längst hätte absteigen sollen. Zum anderen gibt man mit der prophylaktischen Einnahme das erste Mittel zur Behandlung aus der Hand, wenn es wirklich Probleme gibt. Wir haben also lange drüber nachgedacht (die Erfolgsquote steigt halt schon mit Diamox), uns aber entschieden, keins zu nehmen. Entweder, wir schaffen es so – oder eben nicht.
So, und damit ist der erste Tag unserer Kili-Besteigung zu Ende – kurz nach acht liegen wir bereits im Zelt und kurz darauf schlafen wir wie die Babies. Zu guter Letzt noch der halbe Weg aus dem GPS – wir nehmen uns fest vor, künftig gleich beim Start dran zu denken, das GPS einzuschalten. (Es zeigt sich, dass das Camp wohl rund 100m höher liegt, als es das Schild behauptet.)
Gesamtanstieg: 376 m
Gesamtabstieg: -47 m
Gesamtzeit: 01:29:10