Réunion Trekking Etappe 5: Marla – Cilaos

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Cilaos mit Durchgang zum Meer
Cilaos mit Durchgang zum Meer

Gut, dass heute der Wecker klingelt, denn in unserem Einzel-Bungalow gibt es kein Rumoren und keinen Krach und auch die Hähne des Orts sind offenbar weit genug weg. Wir frühstücken zusammen mit Nikki und Robert das übliche Angebot und bekommen später noch Gesellschaft von zwei Mitwanderern aus Stuttgart. Nikki und Robert wollen heute nach Hell Bourg – eine ganz ordentliche Strecke – und von dort aus dann morgen auf den Piton des Neiges. Wir müssten uns dort also wiedertreffen. Die beiden Stuttgarter wollen heute genau wie wir nach Cilaos, gönnen sich dort dann aber einen Ruhetag. Genauso machen es Kerstin und Dominic aus der Schweiz, die wir heute Morgen aber nicht mehr treffen.

Für uns soll es heute ebenfalls nach Cilaos in den gleichnamigen Cirque gehen. Dazu heißt es morgens erst einmal, den Col du Taïbit erklimmen. Auf der anderen Seite werden wir dann nach Cilaos hinabsteigen. Als erstes wollen wir die paar Schritte zurück zur Müllsammelstation von Marla gehen – ein Schild in unserer Gite wies darauf hin, dass Müll in den Gites nicht mehr akzeptiert würde, sondern dafür die „Big Bags“ genutzt werden sollen. Doch bereits hier im Ort beginnt der Weg heute mit einem Hindernis.

Etappe 5 - Start mit Hindernissen
Etappe 5 – Start mit Hindernissen

Nachdem wir unseren Müll (also ein paar Tempos und eine leere Tüte Studentenfutter) abgeladen haben, gehen wir mal wieder direkt auf die Wand zu, die es nun zu erklimmen gilt. Der Anstieg beginnt recht zahm und ermöglicht uns einen schönen Blick zurück auf Marla.

Blick zurück auf Marla
Blick zurück auf Marla

Seit die Muskeln nicht mehr bei jedem Schritt protestieren, geht das mit dem Auf- und Absteigen fast entspannt zu. Insbesondere morgens, wenn wir noch ausgeruht und frisch sind, können uns die Berge nicht mehr viel anhaben. Auch der Col du Taïbit, dem wir gerade aufs Dach steigen, ringt uns mit den rund 500 Höhenmetern heute früh wenig mehr als ein kleines Keuchen ab. Der Col ist der Zipfel auf dem folgenden Bild, und wir müssen über den Sattel ganz rechts.

Heute über den Sattel rechts neben dem Zipfel
Heute über den Sattel rechts neben dem Zipfel

Oben auf gut 2000 Metern angekommen, gönnen wir uns eine kleine Pause am einzigen Schattenplätzchen, essen und trinken etwas und legen Sonnencreme nach. Die Strecke gestern hat uns ganz gut die Arme verbrannt, so dass wir heute etwas aufpassen müssen. Dann genießen wir den Ausblick in den Cirque de Cilaos. Er liegt uns zu Füßen und auch die Stadt Cilaos scheint bereits zum Greifen nah. Eingerahmt liegt sie zwischen den hohen Wänden des Cirques. An einer Stelle hat der Kessel eine Öffnung und wir können bis ans Meer sehen.

Erster Blick auf Cilaos
Erster Blick auf Cilaos

Cilaos mit Durchgang zum Meer
Cilaos mit Durchgang zum Meer

Wir testen noch kurz den Anstieg zum Gipfel des Col du Taïbit an, entscheiden uns dann aber dagegen. Es handelt sich eher um eine Kletterpartie, so dass mich meine Schwindelfreiheit bald im Stich lässt und wir nicht so kurz vor dem Ziel noch etwas riskieren wollen. Dazu kommt, dass der Blick auf Cilaos wieder einmal dem Motto der Tour „so nah und doch so fern“ entspricht. Wenn man genau hinsieht, ahnt man nämlich hier bereits die Schlucht, die sich direkt vor Cilaos noch in den Boden gräbt. Noch wissen wir nicht, ob wir diese umgehen können oder dort hindurch müssen. Wäre ja nicht das erste Mal.

Wir beginnen also den Abstieg nach Cilaos. Die Stadt liegt auf rund 1200 Metern, so dass wir von hier aus gute 800 Höhenmeter runter müssen. Die Schlucht noch nicht eingerechnet. Fast schlagartig ändert sich die Umgebung. Die Vegetation deutet auf feuchteres Klima hin, die knorrigen Bäume sind moosbehangen und Farne wachsen überall. Bei jeder zweiten Biegung bekommen wir dafür den freien Blick auf unser morgiges Ziel, den Piton des Neiges präsentiert.

Ziel für morgen
Ziel für morgen

Der Abstieg lässt sich überraschend gut an und stellt ein gutes Training für übermorgen dar, wenn wir knappe 2000 Höhenmeter vom Piton des Neiges absteigen müssen. Als wir am Parkplatz kurz vor Cilaos ankommen, sind wir fest davon überzeugt, bestens vorbereitet zu sein und unseren Knien nichts übermenschliches mehr abzuverlangen.

Der rauchende Berg
Der rauchende Berg

An diesem Parkplatz ist es auch, wo wir uns theoretisch für die häufig gewählte Variante entscheiden könnten, bequem mit dem Bus nach Cilaos reinzufahren. Es ist aber gerade erst Mittag und so machen wir eine schöne Pause mit Aussicht und Stärkung und folgen anschließend fest entschlossen dem Wegweiser nach Cilaos. Wir haben zwei Wege zur Auswahl und nehmen den über die Cascade du Bras Rouge. Ein Wasserfall klingt gut, finden wir und der Weg soll auch nur rund zwei Stunden dauern.

Natürlich kommt es recht bald, wie es kommen musste – wir hatten die Schlucht vor Cilaos ja bereits erahnt. Und so sehen wir uns den Wasserfall auch nicht von halber Höhe aus an, sondern steigen in die Schlucht bis ganz unten ab, wo wir den Bras Rouge queren. Spätestens hier revidieren wir unsere Meinung, dass uns jetzt kein Abstieg mehr etwas anhaben könne. Die Knie wehren sich inzwischen bei jedem Schritt und wir blicken dem Auf- und Abstieg der nächsten zwei Tage wieder skeptischer entgegen. Immerhin entschädigt uns ein schöner Ausblick, als wir am heutigen Tiefpunkt – nun wieder deutlich unter 1000 Metern – ankommen.

Cascade du Bras Rouge
Cascade du Bras Rouge

Den namengebenden Wasserfall sehen wir übrigens nicht – der stürzt sich fünf Meter weiter über eine Kante, über die man aber sinnvollerweise nicht hinabschauen kann. Der weiterführende Weg lässt ebenfalls keinen Blick auf den Wasserfall zu – dafür hört man ihn. Die Aussicht, nun wieder die 300 Höhenmeter hinaufklettern zu müssen, wirkt nicht so übermäßig motivationsfördernd. Das wird insbesondere dadurch nicht besser, dass uns unterwegs während einer kurzen Trinkpause ein älteres Paar mit ihren kleinen Kindern überholt – die Familie war von Cilaos aus offenbar mal kurz zum Baden in die Schlucht runter und geht nun wieder heim. Toll. Wir reden uns ein, dass es ausschließlich am Gepäck liegt – und dass wir heute schon über den Col du Taïbit gekommen sind. Immerhin halten wir den Abstand zur Familie einigermaßen konstant.

Wir überschreiten die angegebenen zwei Wegstunden um rund eine halbe Stunde, kommen dann aber endlich an der Kirche von Cilaos heraus. Wir haben es geschafft – auch ohne Bus. Nun müssen wir nur noch unsere Gite Roche Merveilleuse finden, die aber erfreulicherweise ganz in der Nähe liegt. Sie entpuppt sich als ein schönes Blockhaus, in dem wir heute luxusmäßig ein Doppelzimmer mit eigenem Bad haben. Wir beziehen das Zimmer, gönnen uns einen Kaffee klären die Formalitäten, d.h. wir melden uns zum Abendessen und zum Frühstück an. Nach einer Dusche und einer kurzen Wäsche der Klamotten starten wir noch einmal in die Stadt. Aus unerfindlichen Gründen habe ich nur eine Stirnlampe eingepackt. Wenn wir zum Sonnenaufgang auf den Gipfel des Piton des Neiges wollen, wäre es aber vielleicht ganz hilfreich, wenn jeder eine Taschenlampe hätte. Kurz vor sechs werden leider in Cilaos shoppingtechnisch die Bürgersteige hochgeklappt, aber im kleinen Supermarkt finden wir noch so etwas wie eine Taschenlampe. Wir sind erstaunt, dass es tatsächlich noch Geräte gibt, die mit Flachbatterien arbeiten, sind aber froh, nun lichttechnisch besser ausgestattet zu sein.

Bei einem kleinen Spaziergang durch die Stadt finden wir noch eine Bäckerei, die sehr lecker aussieht und die wir uns schon einmal für übermorgen vormerken. Auf dem Rückweg zu unserer Gite treffen wir dann die beiden Schweizer wieder, die sich für ihren Ruhetag ein Hotel gegönnt haben. Auch sie haben sich gegen den Bus entschieden und sind über den Wasserfall gelaufen. Wir quatschen noch eine Weile und müssen uns dann verabschieden, damit wir pünktlich zum Abendessen wieder in unserer Gite sind. Der Besitzer gibt ein wenig den englischen Butler und serviert sein Essen formvollendet in einem Wintergarten mit Kamin. Es gibt nach einem Salat als Vorspeise das erste Mal ein Fisch-Cari, das optisch allerdings eher an Häcksel-Fisch erinnert. Zum Dessert gibt es ein selbstgemachtes Eis. Man merkt, dass wir wieder in der Zivilisation sind und die Versorgung mit Lebensmitteln nicht mehr nur per Hubschrauber möglich ist. Ebenfalls mit am Tisch sitzt übrigens unser französischer Mitbewohner aus Roche Plate. Auch er wird morgen auf den Piton des Neiges aufsteigen. Mit wieder einmal schmerzenden Knien und der Aussicht auf 1200 Höhenmeter Aufstieg schlafen wir heute ein.

Gesamtstrecke: 15.81 km
Gesamtanstieg: 1204 m
Gesamtabstieg: -1570 m
Gesamtzeit: 10:23:02

2 Kommentare

  1. Hallo Sandra, unbekannterweise herzliche Grüße aus Dresden. Deine Reiseberichte über Reunion haben wir mit großer Freude gelesen. Wir reisen am Freitag genau dahin und haben fast die gleiche Trekkingtour vor uns. Wir sind gespannt. Im Hinblick “ Klamotten“ gibt es etwas was du gerne mitgenommen hättest, wenn es Dir nur jemand vorher gesagt hätte. Ich denke an den Aufstieg zum Piton des Neiges. Danke schon vorab für Deine Rückantwort.

    Herzliche grüße Ina

    1. Hallo Ina, danke für Deinen netten Kommentar.

      Eigentlich habe ich unterwegs nichts vermisst. Was für den Piton am wichtigsten ist, sind eine Stirnlampe für jeden (inkl. voller Batterien!), ein leichtes Schlafsack-Inlet (kalt ist es dank dicker Wolldecken nicht, aber es gibt keine Laken), Handschuhe und Mütze (es kann SAUkalt sein!), Regenklamotten und etwas „Beschäftigungstherapie“. Je nach Geschmack ein Buch, Spiel oder ähnliches, was Euch für ein paar Stunden beschäftigt, falls das Wetter oben nicht zu Spaziergängen einlädt.

      Grundsätzlich ist ein Wecker sinnvoll, weil Frühstückszeiten immer vorgegeben sind und Ihr ja rechtzeitig zum Sonnenaufgang oben sein wollt. Als gut hat sich unsere Strategie erwiesen, zum Wandern immer die gleichen Klamotten anzuziehen und für die Essenszeiten ein zweites (nicht stinkendes *g*) Set Klamotten zu haben. Mehr will man nicht schleppen. Meine lange Unterwäsche hätte ich in einigen Gites auch nicht missen wollen. Wichtig ist auch, dass Ihr an ausreichend Futter für tagsüber denkt – die Zeit zwischen Frühstück (meistens 7:00 Uhr) und Abendessen (meistens 19:30 Uhr) kann sonst sehr lang werden. Für Wasser plant mind. 2 Liter pro Person ein. Mehr schadet auch nicht. Das Wasser in den Gites kann man problemlos trinken. Unter nice-to-have fallen Dinge wie ein paar Wäscheklammern (ging auch ohne, kann bei zuviel Wind aber nervig werden). Ein paar lockere Schuhe für abends und in den Gites freuen die Füße.

      Was hätte ich nicht mitnehmen brauchen? Das Wörterbuch. Das liegt nicht an meinem guten Französisch (überhaupt nicht!), sondern daran, dass es im Bedarfsfall eh nie griffbereit war oder zum Nachschlagen keine Zeit. Es geht ganz klar auch mit Händen und Füßen.

      So… das soll es erst einmal gewesen sein. Wenn mir noch etwas einfällt, melde ich mich nochmal. Euch einen ganz ganz tollen Urlaub – es wird anstrengend, aber wunderschön! Viel Spaß!

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