Das Werkeln an der Zisterne hat geholfen – pünktlich kurz nach fünf plätschert das Wasser lautstark hinter meinem Fenster los. Zum Glück bin ich müde genug, dass ich weiterdämmern kann, bis mich mein Wecker um sechs endgültig aus der Nacht in den Tag schubst. Ab zum Frühstück und danach in die Schule. Ab heute ist auch Lara, die Kleinste der englischen Familie mit in meiner Klasse, nachdem man sie zuerst in eine ältere Klasse gesteckt hatte, wo sie mit ihren vier Jahren allerdings völlig falsch war. Ich versuche, ihr den Start möglichst leicht zu machen, indem ich zumindest ab und zu bei ihr vorbeischaue und ihr die wichtigsten Dinge übersetze. Zumindest flieht sie nicht zwischendurch aus dem Raum, was sie wohl vorher immer getan hat, weil sie sich partout nicht zurecht gefunden hat.
Wir beginnen mit ein paar Liedern (beim Singen halte ich mich vornehm zurück) und danach kommt wieder der Englisch-Lehrer. Tja, selbst Lara ist hier aufgeschmissen ;-)
Nach den üblichen Übungen in Sachen Malen, Zählen etc. machen wir eine weitere Übung, die die Kids gnadenlos überfordern soll. Wir hängen die am Freitag gestalteten Bilder an die Wand und lassen dann jede Gruppe ihr Bild vorstellen und erklären. Welche Materialien haben sie genutzt, welche Farben verwendet, wie war die Zusammenarbeit etc. Nun ja. So laut der Grundpegel den ganzen Tag über ist, so laut sie permanent durch die ganze Klasse schreien, so mucksmäuschenstill stehen sie plötzlich vor der Klasse, den Mund hinter der Hand versteckt und kriegen kein Wort raus. Und wenn doch, dann wird eben ein einzelnes Wort gewispert, so dass man es grad noch verstehen kann, wenn man mit dem Ohr an ihrem Mund klebt. Kleine Helden… Wir loben einen Preis aus für die Gruppe, die am besten spricht, aber es hilft alles nichts. Danach lassen wir sie das schönste Bild wählen (jeder bekommt ein Holzstäbchen und soll es auf das Bild legen, das ihm am besten gefällt – die Bilder liegen mittlerweile auf dem Boden) und es gewinnt der Schmetterling. Erst hinterher verraten wir ihnen, dass es für das schönste Bild ebenfalls einen Preis gibt. Wir verteilen also ein paar Sticker und Luftballons – und schon ist der Neid groß. Aber nach ein paar Einzel-Erklärungen bzgl. des Unterschieds zwischen einem Preis für eine Leistung und einem Geschenk für alle hat auch der Letzte verstanden, dass alles Gejammere nichts nützt und sie leer ausgehen werden.
Danach geht es weiter mit verschiedenen Übungen. Es geht um das Erkennen geometrischer Formen und um das Schneiden mit einer Schere. Lara schlägt sich mit ihren vier Jahren bei allen intellektuellen Übungen überdurchschnittlich gut, nur mit der Schere hat sie ein paar motorische Schwierigkeiten. Zwischendurch muss ich das Mädchen, das am Freitag bereits auf meinem „stillen Stuhl“ gesessen hat, wieder einmal dorthin verfrachten. Diesmal ist ihr Widerstand deutlich geringer. Da sie am Vormittag aus heiterem Himmel bitterlich geweint hat und irgendwas von ihrem Cousin und einem anderen Land schluchzte, nehme ich sie anschließend noch einmal zur Seite und rede mit ihr. Sie fängt sofort wieder an zu weinen und erklärt mir, dass ihr Cousin (ebenfalls fünf Jahre) in ein anderes Land geht und sie ihn nie wiedersehen wird und dass sie nicht will, dass er in ein anderes Land geht. Und überhaupt ist alles ganz schrecklich. Nach einer Weile frage ich sie, in welches Land ihr Cousin denn geht. Und die Antwort lautet: Santa Cruz! Ich muss mich stark zusammenreißen, nicht laut loszulachen und erkläre ihr dann in aller Sachlichkeit, dass es sich bei Santa Cruz nicht um ein anderes Land handelt, sondern nur um die Nachbarinsel. Und dass sie von ihrem Cousin nicht mehr als 2 Stunden mit dem Boot trennen. Ihr Gesicht hellt sich auf, die Tränen versiegen und sie fängt eifrig an zu fragen, woher ich das weiß und ob das wirklich so sei und ob man dorthin tauchen könne (wie auch immer sie auf diese Frage kommt – sie kann nicht tauchen). Anschließend packt sie mich an der Hand und lässt mich die nächsten zehn Minuten nicht mehr los, bis ich sie an ein paar andere Kinder auf dem Hof übergeben kann, um die Lehrerin zu unterstützen, die schon fleißig Hausaufgabenhefte füllt.
Überhaupt muss ich an dieser Stelle mal ein großes Lob und größten Respekt für die Lehrerin aussprechen. Sie managt die vielen wilden Kids jeden Tag, ist bei aller oft nötigen Strenge immer auch wieder nett zu den Kindern und schafft es, sie aus dem größten Chaos wieder zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen und – zumindest kurzfristig – zur Ruhe zu bringen.
Nach der Schule treffe ich mich heute mit Carlos und Angélica am Markt und wir gehen in ein nahegelegenes kleines Restaurant, um dort Mittag zu essen. In den nächsten Tagen wird dies auf Wunsch von Carlos wohl unser tägliches Mittagsplätzchen werden. Auch gut, liegt es doch ganz in der Nähe meiner Schule. Anschließend bringe ich meine geliehene Schnorchelausrüstung zurück, trinke im Mockingbird noch zwei Kaffee beim Bloggen, weil’s so lecker, ist und gehe anschließend ins ProjectsAbroad-Büro, um mir eine Karte von Galapagos zu leihen. Der heutige Tag hat gezeigt, dass den Kids ein wenig Geographie Not tut.
Zu Hause treffe ich nach einiger Zeit auf Carlos, den ich dann zum Brot einkaufen begleite. Und weil es grad so nett ist, holen wir uns noch eine Art Schoko-Brötchen, kaufen dazu einen Becher Milchreis (der hier allerdings eher als Getränk gilt, weil er viel flüssiger ist) und spazieren dann über den Malecón zurück. Dort beobachten wir noch, wie ein Seelöwe eine Wasserrutsche für sich beansprucht, die vom Malecón runter ins Wasser führt und lachen uns halb schlapp über den Anblick des rutschenden Seelöwen. Wieder zurück, macht Carlos zum Abendessen Languste. Ich bin sehr gespannt…