Das erste, was ich nach dem Weckerklingeln höre, ist der Regen, der gegen mein 15.-Etage-Hotelzimmer prasselt. Also drehe ich mich noch mal um und versuche es eine halbe Stunde später noch mal. Siehe da, der Regen hat die Richtung gewechselt und prasselt nicht mehr gegen das Fenster. Großartig – so kann es losgehen! Ab in die Wanderklamotten und runter zum Frühstück. Übers Frühstück hört der Regen auf, und so starte ich sogar im Trockenen. Ich komme rund 60 Schritte weit. Nun ja. Mit der Straßenbahn fahre ich dennoch trocken zum Bonner Marktplatz, wo der offizielle Startpunkt des Rheinsteigs ist. Hier geht er also los.
Ich bitte ein vorbeigehendes Mädel, ein Beweisfoto zu machen und dann entspinnt sich ein Gespräch, wie es sich im Verlauf des Weges noch einige Male so oder so ähnlich wiederholen soll:
Ah, gehst du den Rheinsteig? – Japp. – Den ganzen? – Japp. – Wie lange ist man da unterwegs? – Eigentlich 21 Tage. – Ach, krass. – Ja, aber so viel Urlaub hab ich nicht, darum muss das auch in 15 gehen. – Ach du scheiße! …begleitet von einem Blick, der irgendwo zwischen Mitleid, Bewunderung und Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit liegt.
Mit so einer Motivationsrede gerüstet laufe ich also meine ersten Schritte auf dem Rheinsteig. Es geht zunächst auf direktem Weg ans Rheinufer.
Hier hat man zwei Möglichkeiten: links lang und über die Kennedybrücke auf die andere Rheinseite – oder rechts lang und mit der Fähre Rheinnixe übersetzen. Ich tue, was der gesunde Menschenverstand und dir Locals nahelegen und gehe nach rechts. Dort stehe ich nach ein paar hundert Metern am Anleger der Fähre. Sieht alles etwas tot aus irgendwie… und dann entdecke ich das Schild mit den Betriebszeiten.
Also drehe ich eben um und gehe den Weg zurück… Brücke ist ja auch irgendwie super. Natürlich fängt es auch prompt wieder an zu regnen. Aber daran muss ich mich eh gewöhnen, sagt der Wetterbericht für die nächsten drei Tage.
Hinter der Brücke geht es eine ganze Weile direkt am Rhein entlang. Das ist schön, denn so entstehen zumindest keine Höhenmeter und ich kann mich erst mal warmlaufen.
Als es dann doch langsam genug des Asphalts wird, biegt der Weg ab und schiebt sich zunächst übers Telekom-Gelände (kurz frage ich mich, ob die Telekom für diese Art der Werbung zahlt) und dann geht es auch schon schnurstracks bergan.
Kurz noch durch Ramersdorf und dann geht es endlich in den Wald. Und natürlich ordentlich bergauf. Endlich fühlt sich der Rheinsteig so an, wie er heißt.
Bislang hält sich der Regen in Grenzen, es schauert immer nur kurz und leicht. Zwischendurch begegnen mir zwei Wanderdamen, von denen eine je einen leuchtend neongrünen Ring in der Hand hält. An einem Ausguck nimmt meine Neugier überhand. Ich lasse mir erklären, dass die Ringe mit Kügelchen gefüllt seien, so dass sie im Schritt-Takt schwingen – das sei gut für die Haltung und besser als Wanderstöcke, bei denen alles verkrampfen würde. Nun gut, denke ich mir. Genieße noch kurz die Aussicht auf den Rhein, greife meine Wanderstöcke und ziehe von dannen.
Irgendwann kommt sogar ein Stückchen Sonne raus und ich nähere mich unaufhaltsam dem Petersberg. Da oben drauf steht ein Grand Hotel und das hat zur Freude vieler Wanderer einen Biergarten. Leider hat der, zur bitteren Enttäuschung aller Wanderer, heute geschlossen. Wegen Witterung. Hmpf. Einmal übers weitläufige Gelände gesucht offenbart, dass es ansonsten nur noch das Bistro gibt, wo man was zu essen bekommt.
Leute, ihr habt es nicht anders gewollt – dann stinke ich euch eben die piekfeine Bude voll ;) Ich bestelle ein Gericht, was königlich aussieht, aber leider seinem ebenfalls königlichen Preis nicht gerecht wird. Der Koch scheint verliebt zu sein… schade.
Weiter geht es frisch gestärkt zum Schlussspurt Richtung Drachenfels. Das Wetter ist geradezu super und so läuft es sich prima.
Eines wird auf dieser ersten Etappe schon klar: wer den Rheinsteig bei feuchterem Wetter geht, muss Fan von Nacktschnecken sein – oder schnell werden. Ich sehe eine gefühlte Milliarde der kleinen braunen oder leuchtendroten Exemplare.
Irgendwann laufe ich über eine Lichtung und plötzlich steht vor mir auf dem Weg ein junges Reh. Man sieht regelrecht, wie Fluchtinstinkt und Neugier miteinander kämpfen und so gelingen sogar ein paar Fotos, bevor dann doch der Instinkt gewinnt.
Dann komme ich am Drachenfels an. Zunächst am Schloss und damit an der Mittelstation der Drachenfelsbahn. Hier könnte ich theoretisch für heute aufhören. Aber ich nehme den Aufstieg zur Bergstation noch mit. Wer weiß, wie es mir morgen geht – und wie das Wetter morgen ist. Gesagt, getan – und kaum bin ich oben, fängt es auch wieder so richtig an zu schütten. Zeit für Feierabend.
Ich nehme die Drachenfelsbahn runter nach Königswinter. Dank etwas kritischer Nachfrage ob der Preispolitik (Einzelfahrt 10 Euro, Berg- und Talfahrt 12 Euro, aber Ticket nur am Ausgabetag gültig) darf ich morgen mit dem gleichen Ticket auch wieder rauf fahren, um die Tour fortzusetzen.
In Königswinter finde ich noch raus, dass die Bahn wegen Corona morgen erst ab 10:00 fährt (hmpf) und dann laufe ich zu meiner Unterkunft. Direkt gegenüber lacht mich ein tolles Café an und ich hole mir zwei Stücken Kuchen zum Abendbrot. Was soll’s, ich war ja wandern :)
Eine Dusche, die stinkenden Wanderklamotten kurz durchwaschen und dann falle ich nur noch platt ins Bett. Bin gespannt, ob die Füße morgen auch noch so weh tun…
Gesamtanstieg: 716 m
Gesamtabstieg: -511 m
Gesamtzeit: 08:04:10
Wow, tolle Strecke!