Réunion Trekking Etappe 7: Piton des Neiges – Cilaos

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Sonnenaufgang am Piton des Neiges
Sonnenaufgang am Piton des Neiges

Pünktlich um vier Uhr klingelt der Wecker. Schlagartig kommt Bewegung in den Bungalow und wir kriechen aus den herrlich warmen Betten. Wir verstauen alles, was wir auf dem Gipfel nicht brauchen werden, im großen Rucksack und stellen diesen in der Gite unter. Auf dem Weg dahin stellen wir fest, dass es noch immer vollkommen wolkig ist und regnet. Na klasse. Da bleibt nur zu hoffen, dass wir bei unserem Aufstieg noch aus den Wolken herauskommen. Wir werfen uns die Regensachen über, ziehen Mützen auf und packen die Fleecejacken samt Handschuhen in den kleinen Rucksack, um oben noch etwas zum Überziehen zu haben. Irgendwie vertrödeln wir uns beim Start dann doch etwas und kommen erst um 4:20 Uhr los. Nun haben wir noch ziemlich genau die angegebenen 1:50 Stunden, um in finsterer Nacht und Regen den Gipfel rechtzeitig zum Sonnenaufgang zu erreichen. Als so ziemlich letzte machen wir uns an den Aufstieg – und folgen einem Stirnlampen-Bandwurm, der sich zum Gipfel hinauf windet. Bald zieht sich der Bandwurm auseinander und aufgrund der dichten Wolken sind nur noch wenige Leute vor uns zu sehen.

Der Weg führt über Geröll von Lavagestein und ist entsprechend unwegsam. Er ist alle paar Steine mit weißen Flecken markiert, die im Lampenschein recht gut reflektiert werden. Andernfalls hätten wir keine Chance, den Weg zu finden. Kurz nach dem Start halten wir dann scheinbar einen Moosfleck für eine Markierung und biegen falsch ab. Da es plötzlich keine weiteren Markierungen mehr zu geben scheint, bemerken wir unseren Fehler schnell und suchen im Dunkeln rückwärts, bis wir wieder auf den rechten Pfad zurückgefunden haben. Wir stiefeln in unserem eigenen Tempo, aber gleichmäßig weiter. Bald tauchen hinter uns plötzlich Leute auf, die vor uns losgelaufen sind. Scheint, als wären wir nicht die einzigen, die falsch abgebogen sind. Allerdings hat das Trüpplein den Fehler offenbar erst später bemerkt und ist eine ganze Weile in die falsche Richtung gelaufen.

In den Regensachen fangen wir recht bald an zu schwitzen, denn es ist und bleibt nunmal ein ordentlicher Aufstieg. Um uns herum gibt es nichts als Lavagestein und massenhaft Wolken und Regen. Die Stirnlampe blendet, weil sie an den tausenden kleinen Regentropfen direkt vor dem Gesicht regelrecht reflektiert wird. So langsam verlieren wir die Hoffnung darauf, noch jemals aus den Wolken herauszukommen. So wird das mit dem spektakulären Sonnenaufgang wohl nix. Wenn die derzeit schwarzen Wolken irgendwann einfach grau und dann weiß werden, hält sich die Freude wohl auch einigermaßen in Grenzen. Aber es hilft alles nichts – auf den Gipfel müssen wir ja so oder so, da können wir es auch im Dunkeln tun. Wer will schon sagen: „ich war auf dem Piton des Neiges… ein bisschen jedenfalls“.

Je höher wir kommen, desto mehr scheint sich unser gemächliches Tempo auszuzahlen. So langsam rollen wir das Feld von hinten auf und überholen fünf oder sechs Trüppchen. Wir erklimmen eine etwas steilere Wand und die Wolken scheinen marginal dünner zu werden. Zumindest hört der vermaledeite Regen auf. Irritiert glaube ich, etwas am Horizont gesehen zu haben. Da es aber erst viertel vor sechs ist, kann das eigentlich nicht sein – bis zum Sonnenaufgang ist es noch eine halbe Stunde hin. Wir stiefeln also weiter, bis ich wieder glaube, etwas zu sehen. Ich knipse die Stirnlampe kurz aus und stelle fest, dass es um uns herum tatsächlich heller wird. Noch ein paar Meter weiter, dann stellen wir die Lampen ab und laufen im allerersten zaghaften Morgengrauen weiter. Um uns herum sind die Wolken tatsächlich dünner geworden und wir können gute hundert Meter weit sehen. Dahinter: nichts als dicke Wolken. Dann kommen wir endlich über den letzten Grat und mir entfährt ein „wow“. Urplötzlich tut sich der Blick ins Tal auf. Die Wolken rundum färben sich zart rosa. Damit haben wir so wenig gerechnet, dass ich direkt eine Gänsehaut bekomme. Das Trüppchen, das schnaufend hinter uns den Grat heraufkommt, schaut und sagt dann der Reihe nach „wow“. Alle bleiben mit offenem Mund stehen und staunen einfach nur.

Erster Blick ins Tal, noch vor Sonnenaufgang
Erster Blick ins Tal, noch vor Sonnenaufgang
Erster Blick ins Tal, noch vor Sonnenaufgang
Erster Blick ins Tal, noch vor Sonnenaufgang

Plötzlich ist die ganze Anstrengung vergessen. Wir gehen ehrfurchtsvoll die letzten paar Meter bis auf den Gipfel und sind pünktlich zum Sonnenaufgang oben. Wir haben es geschafft!

Wir haben es geschafft!
Wir haben es geschafft!

Da stehen wir nun auf dem Gipfel… es ist eisig kalt und einfach unglaublich schön. Rundherum färben sich die Wolken in den schönsten Farben. Die Fotoapparate klicken und einige Videokameras laufen auf Hochtouren. Wer geglaubt hat, dass sich ein Sonnenaufgang einfach nur in Richtung Osten abspielt, wird hier eines besseren belehrt. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Ein paar Eindrücke…

Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges
Sonnenaufgang auf dem Piton des Neiges

Gegen sieben Uhr ist es richtig hell und wir haben eindeutig genug gefroren. Wir machen uns an den Abstieg, denn auch der Magen meldet so langsam Hunger an und lässt sich nicht mehr mit Panzerplattenkeksen beruhigen. Unterwegs macht sich sofort die nun aufgegangene Sonne bemerkbar: sobald wir uns bewegen, fangen wir an zu schwitzen. Also erst einmal ein paar Schichten Klamotten ablegen. Auf halbem Weg kommen uns plötzlich wieder diverse Leute entgegen – alles Wanderer, die wohl lieber ausgeschlafen haben und meinten, dass es bei dem Wetter heute Morgen wohl eh keinen Sonnenaufgang zu sehen gäbe. Wie man sich irren kann…

Der Piton des Neiges dampft
Der Piton des Neiges dampft

An der Gite angekommen, gibt es erst einmal Frühstück und dann packen wir die Rucksäcke wieder zurück in ihre Standardverteilung. Auch unsere Wasservorräte können wir noch auffüllen.

Frühstück
Frühstück

Draußen ist es schon wieder deutlich wolkiger und auch die Feuchtigkeit kommt mit den Wolken wieder herangekrochen. Wir schultern die Rucksäcke und machen uns mit einem letzten Blick zurück auf die Gite (Richtung Gipfel ist schon wieder nichts mehr zu sehen) an den Abstieg.

Die Wolken fließen
Die Wolken fließen

Unterwegs treffen wir auf die beiden Schweizer und geben ihnen noch ein paar Infos und Berichte mit auf den Weg. Als wir in Le Bloc ankommen, machen wir eine ausgiebige Pause und entscheiden uns auch hier wieder gegen die Bus-Variante. Jetzt, wo wir so weit gekommen sind, schaffen wir den Rest auch noch zu Fuß. Außerdem war der Weg bis hierher ja ein Klacks gewesen.

Nun ja, ganz so ein Klacks ist der Weg dann irgendwie doch nicht. Ob wir mental bereits in Le Bloc abgeschlossen hatten oder der Tag bis hierhin einfach schon zu lang war… jedenfalls zieht sich das letzte Stück wie Kaugummi und ist plötzlich mit mehr Auf- und Abstiegen gespickt, als noch gestern auf dem Hinweg. Auch die Knie quittieren die nunmehr gut 600 Höhenmeter Aufstieg und die knapp 2000 Höhenmeter Abstieg wieder mit Schmerzen. Doch nach dieser letzten Anstrengung stehen wir plötzlich am Einstieg des GR-R2 in Cilaos. Wir kreuzen die Straße, über die die beiden Holländer angelaufen kommen (sie hatten wohl nicht gesehen, dass es von Le Bloc auch einen Wanderweg gibt und waren die Straße entlang gelaufen). Die beiden sehen echt fertig aus, allerdings waren der Auf- und Abstieg auf den Piton des Neiges auch die erste (und einzige) Aktion, die sie auf Réunion wandertechnisch unternommen hatten. Ein Himmelfahrtskommando, möchte man meinen – aber offensichtlich zu überleben.

Wir gehen noch die paar Schritte bis zu unserer Gite La Roche Merveilleuse, bekommen unser altes Zimmer zugewiesen und suchen dann nach einer ausgiebigen Dusche die noch am wenigsten stinkenden Klamotten heraus. Die eisige Kälte heute Nacht hat den bisherigen Plan zunichte gemacht, immer ein „sauberes“ Shirt für die geselligen Abende in der Gemeinschaft zu haben, um die Mitwanderer nicht allzu sehr zu quälen. Anschließend stiefeln wir los in die Stadt und machen uns mit einem Teilchen vom Bäcker in der Hand schon einmal schlau, wann und wo unser Bus morgen fährt. Dann suchen wir uns ein schönes Plätzchen fürs Abendessen (in der Gite haben wir uns diesmal nur fürs Frühstück angemeldet) und setzen uns dann noch eine Weile an den örtlichen „See“, um die Zeit bis zum Essen zu überbrücken.

Cilaos
Cilaos

Nach einem guten Essen geht schließlich unsere Tour mit einer letzten Gite-Übernachtung zu Ende. Wir ziehen ein durchweg positives Fazit: jeder Schritt, jeder Schmerz, jeder Schweißtropfen hat sich definitiv gelohnt. Die Landschaft und die Aussichten waren einfach gigantisch. Die Einheimischen sind uns durchweg offen und herzlich begegnet (keine Spur der dem französischen Festland nachgesagten Engstirnigkeit, was z.B. Fremdsprachen angeht) und wir haben tolle Leute kennenlernen dürfen, mit denen wir all das teilen durften. Und nicht zuletzt ist das Gefühl einfach unschlagbar, es jetzt geschafft zu haben.

In jedem Fall ist uns jetzt klar, wo Xavier die Inspiration her hatte. Dieser Weg war definitiv kein leichter. Er war steinig und er war schwer. Trotzdem: er war jeden Meter davon wert.

Gesamtstrecke: 15.71 km
Gesamtanstieg: 1033 m
Gesamtabstieg: -2199 m
Gesamtzeit: 12:04:57

2 Kommentare

  1. Hallo Sandra!
    Wir sind eben erst von unseren Wandertrip aus La Reunion zurückgekehrt und bei der Suche nach Informationen über den Großen Tenrek (einer lief uns auf dem Weg nach Cavern Davour über den Weg), auf deinen Blog gestoßen. Nach ein paar Zeilen… ja, ich weis ganz genau was du meinst! Wir waren zwar gut vorbereitet so daß sich die Muskel und vor allem die Knieschmerzen in Grenzen hielten, aber das ewige auf und ab und dann noch diese Lauf-Adonis, manchmal richtig depremierend. Unsere erste Etappe war vom Maido nach Roche Plate, an dem Tag des Laufes der verrückten und kurz vor Roche Platte kam uns der spätere Sieger dieses Laufes engegen. ich hab ein Foto von ihm gemacht, da hatter er zwar noch 800 hm rauf und 2000 runter vor sich, aber schon 100 km und ca.9000 hm hinter sich und er sah so frisch aus wie ich einem kurzen Spaziergang. Am nächsten morgen sahen wir dann aber auch die andere läufer, kraft des Geistes nicht des Fleisches bewegten sie sich noch.
    Wir haben mit großer freude und vielen Lachern deinen Reisebericht gelesen. Nun sind wir beruhigt und wissen daß es nicht nur uns so ergangen ist.
    Herzliche grüße aus Wien
    peter & dodo

    1. Hallo Peter,
      Dein Kommentar ist super! Man möchte schon an deren Verstand zweifeln – und kommt doch nicht umhin, ihnen vor Bewunderung mit offenem Mund und Kopfschütteln hinterherzuschauen… Hoffe, Ihr konntet bei den vielen Verrückten überhaupt noch wandern, ohne immer schnell aus dem Weg springen zu müssen ;-)
      Liebe Grüße aus Frankfurt
      Sandra

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