Morgens werde ich vor den beiden Hütten-Mitbewohnern wach und mache leise Frühstück. Mein morgendlicher Kakao mit Kaffee ärgert mich – ich hatte zu viel Wasser in der kleinen Flasche und so saue ich mir erst mal mein Groundsheet ein. Was soll’s. Zwei Zimtschnecken dazu und dann packe ich leise mein Zeug zusammen und bin kurz nach halb sieben bereits unterwegs. Erklärtes erstes Etappenziel: der Rhein-Weser-Turm in der Hoffnung auf richtiges Frühstück.
Die frühen Morgenstunden sind beim Wandern einfach die allerschönsten. Man ist noch frisch und hat die Welt praktisch für sich allein – bis auf die Tiere, die man um diese Zeit tatsächlich noch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu sehen bekommt.
Nach einer knappen Stunde Zeit komme ich am Dreiherrnstein vorbei. Ein Hinkelstein mit Schild ist alles, was darauf hinweist. Nun denn. Das Frühstück ruft, also geht es direkt weiter. Inzwischen steigt auch die Temperatur wieder, aber immerhin geht es weitestgehend durch Wald. Und so freue ich mich sehr, als ich viertel nach neun zur besten Frühstückszeit den Rhein-Weser-Turm erreiche. Nix wie rein und einen Blick in die Karte geworfen. Es gibt ein Frühstück – das soll 17,50 kosten. Hm… hätte ich viel Zeit oder viel Hiker Hunger würde ich wohl nicht zweimal drüber nachdenken. Da beides nicht der Fall ist und ich noch ein paar Kilometer vor mir hab, belasse ich es bei einem Kaffee und esse einen meiner Riegel dazu. Die müssen eh weg, damit der Rucksack leichter wird.
Ich genieße mein Frühstück und lasse mir parallel von der netten Bedienung mein Handy hinter der Theke aufladen. Die ersten 11 km liegen hinter mir, nach weiteren zehn soll der Weg an einem Hotel samt Restaurant vorbeikommen. Ich glaub, bis dahin bekomme ich locker wieder Hunger, also weiter geht’s.
Der Weg passiert die ein oder andere Schutzhütte – lauter potenzielle Schlafplätze, aber es ist ja noch früh am Tag. Ab und zu gibt es weite Ausblicke, wenn mal wieder der Borkenkäfer sein Unheil getrieben hat und ihm ganze Waldstücke zum Opfer gefallen sind. Meistens geht es aber durch den Wald, was bei dem heißen Wetter sehr gelegen kommt.
Es ist tatsächlich gegen 12 Uhr, als ich auf das Hotelrestaurant zulaufe und wie auf Bestellung knurrt mein Magen. Doch die Enttäuschung soll nicht lange auf sich warten lassen – sie kommt in Form des Hinweisschildes, das mich darauf aufmerksam macht, dass es Mittagessen erst ab 13 Uhr gibt. Was zum Teufel?? Aber ich kann es mir nicht leisten, hier eine Stunde lang rumzusitzen und dann noch Mittagspause zu machen – ich muss noch Kilometer schrubben. Bitterlich frustriert gehe ich aufs Klo und hänge mein Handy dort an eine Steckdose. Ha! Ihr habt kein Essen für mich – aber Strom nehm ich trotzdem. Na ja – jedenfalls die fünf Minuten, die ich brauche, bis ich Pipi war und noch meine Wasserflaschen aufgefüllt habe.
Noch immer genervt mache ich mich wieder auf den Weg und will mir wenigstens ein besonders schönes Pausenplätzchen suchen, als ich direkt um die Ecke unerwartet auf ein weiteres Restaurant stoße – und das hier hat zu meiner großen Freude sogar schon Mittagstisch. Juhu! Ich bekomme einen tollen Platz im Garten und einen der geilsten Salate, die ich je gegessen habe. Und schon bin ich fast froh, dass das Hotel nebenan mich so enttäuscht hat – sonst hätte ich hier glatt was verpasst.
Nach dem Essen geht es weiter und nach einer kleinen Schleife direkt steil den Berg rauf. Gut, dass ich nur den leichten Salat hatte. Na ja ok… und ein Stück Erdbeersahnetorte… dumdidum :)
Auf einmal bekomme ich ziemlich heftige Bauchkrämpfe und merke, dass das Essen komplett durchschlägt – ausgerechnet auf einem Stück, wo es weit und breit keinen Baum gibt. Ich quäle mich unter fiesen Schmerzen den Berg rauf und bin froh, ein kleines Waldstück zu finden. Halleluja. Vielleicht war die Erdbeersahnetorte doch keine so gute Idee…?
Auf dem weiteren Weg komme ich an ein paar ganz lustigen Wegmarken vorbei… da wäre zunächst die Millionenbank (lagen keine Millionen rum, die muss schon jemand abgehoben haben), gefolgt vom Zinseseck (genau – wo schon keine Millionen waren, gab es natürlich auch keine Zinsen).
Danach muss man sich auf dem Rothaarsteig entscheiden, ob man die Kammvariante gehen möchte oder lieber die Talvariante. Ich gehe natürlich die Kammvariante. Ach ja – und ich komme an einem Hinweisschild zum Wanderweg der Deutschen Einheit vorbei. 1.080 Kilometer – na wenn das mal nicht nach einem guten Plan klingt… hihi.
Mittlerweile habe ich sogar mehr als die Hälfte des Rothaarsteigs geschafft. Und das nächste Highlight wartet bereits auf mich, denn es ist nicht mehr weit bis zur Hängebrücke.
Natürlich muss ich über die Hängebrücke einmal hin und wieder zurück gehen – wenn man wie ich nicht schwindelfrei ist, nimmt das schon mal ein Minütchen mehr in Anspruch.
Danach geht es weiter und ich komme an einigen Skulpuren mitten im Wald vorbei. Nun ja – als bekennender Kunstbanause gibt mir das so mittelviel, aber gucken muss ich natürlich trotzdem mal.
Die Kunst heißt „Stein – Zeit – Mensch“ und ich denke mir… joa… gut, dass jemand den Felsbrocken in ein Gatter gesperrt hat… man stelle sich mal vor, der würde ausbüxen… Aus mir wird kein kunstverständiger Mensch mehr.
Macht aber nix, denn das nächste Highlight, mit dem auch ich was anfangen kann, liegt direkt voraus: hier in dieser Gegend leben nämlich wilde Wisente und ich hoffe doch sehr, dass ich eins zu Gesicht bekomme. Ich soll Glück haben – und so vertrödel ich ein wenig Zeit beim Beobachten dieser wirklich beeindruckend großen Tiere.
Eigentlich wollte ich hier in der Gegend irgendwo ein Nachtlager suchen – aber ich fühle mich noch gut und in zwei Kilometern liegt die Hoheleyhütte. Das verspricht vernünftiges Abendessen (aka kein Ramen) und so beschließe ich, die Etappe noch etwas zu verlängern. Ich komme an einer Straße vorbei, an der ein Schild auf die Hütte hinweist – und darauf, dass die Küche um 18 Uhr schließt. Ich schaue auf die Uhr – es ist 17:49 Uhr. Und noch einen Kilometer vor mir bis zur Hütte. Oh nein, denke ich mir – ich will nicht schon wieder an den Küchenzeiten scheitern, nachdem ich mich so aufs Essen gefreut hab! Ich rufe also in der Hütte an und sage, dass ich schon mal bestellen will. Denkste – die Küche ist bereits geschlossen… weil… darum. Was ist das hier nur für eine Gegend?? Ich drücke auf die Tränendrüse und finde heraus, dass noch Apfelkuchen da ist. Der wird umgehend geordert und dann gebe ich Gas, bevor sie doch noch auf dumme Gedanken kommen.
An der Hütte angekommen, sichere ich mir den Apfelkuchen und eine große Apfelschorle – und dann genieße ich die Abendsonne, die Diskussionen am Nachbartisch und die Ballermannmusik, die als Untermalung dient. Mein Handy lädt brav auf und mir schmeckt’s. Hach ja… könnte mir deutlich schlimmer gehen.
Ich schaue nach, wo ich heute das Nachtlager aufschlagen könnte und werde kurz vorm nächsten Ort fündig. Bis dahin sind es keine fünf Kilometer mehr – das passt doch gut. Und den 100 Kilometer Marker passiere ich bei der Gelegenheit auch noch :)
Es geht noch eine wunderschöne Wildblumenwiese hinauf und dann sehe ich schon meine Hütte oberhalb Langewiese. Daneben eine Liegebank und das Ganze mit toller Aussicht. Herrlich – nur etwas windig. Gut, dass es in der Hütte geschützt ist.
Gesamtanstieg: 850 m
Gesamtabstieg: -744 m
Gesamtzeit: 12:20:09