Der Wecker klingelt erbarmungslos um 4:20 Uhr und diesmal wurden wir tatsächlich nicht schon vorher durch irgendwelche Nachbarn geweckt. Kurz vor 5:00 Uhr stehen wir alle mit Stirnlampen bewaffnet vor der Tür und blicken erwartungsvoll zum Himmel hinauf. Und siehe da: ein Meer aus Sternen breitet sich über uns aus. Yeah! Das lässt auf großartige Sicht schließen und wir freuen uns wie Bolle, dass nun auch Birgit uns Hannes in den Genuss der grandiosen Aussicht kommen werden, von der wir gestern so geschwärmt haben. Wir stiefeln los und bereits nach der ersten Abbiegung finden wir uns in einer langen Menschenschlange wieder, die sich als wandelnde Lichtpunkte durch die Dunkelheit den Poon Hill hinauf schiebt. Nach einer Weile des Stiefelns und Schnaufens (es ist kalt und die Luft dünn) schalten wir die Lampen kurz aus und fragen uns leicht besorgt, wo die Sterne hin sind und warum man rundrum eigentlich nichts als Weiß sieht… aber wir sind ja grundoptimistisch und was so schnell gekommen ist, wird sicher auch schnell wieder weg sein. Also weiter den Berg hinauf.
Kurz vor dem Ende des Aufstiegs geht die Finsternis in Dunkelheit über und wir können die Stirnlampen ausmachen. Die ganz langsam einsetzende Helligkeit offenbart aber leider auch nur, was wir eigentlich gar nicht sehen wollten: von der vor einer dreiviertel Stunde noch vorhandenen klaren Luft ist nichts mehr übrig. Wohin wir auch blicken, sehen wir nichts als Wolken. Oben auf dem Poon Hill angekommen, steht eine eher deprimierte Menschenmenge und versucht, durch die Wolken hindurch zu starren und wenigstens ein klitzebisschen Bergpanorama zu erhaschen.
Doch was lange währt, wird endlich gut: das viele Löcher-in-die-Wolken-starren hat doch noch Erfolg und so ist nach einer Weile das Annapurna-Massiv zu erahnen.
Der Blick durch die Wolken hält leider nur für wenige Sekunden an – dann ist schon wieder alles dunkel. Wir stehen noch eine Weile dort oben herum und sehen zu, wie das Tageslicht langsam die Oberhand über die Nacht gewinnt. Und werden nach einiger Zeit glatt mit einem zweiten Blick durch die Wolken belohnt. :)
Auch diesmal ist nach wenigen Sekunden schon wieder alles vorbei und wir beschließen, lieber den Rückweg anzutreten. Bei der Kälte ohne Ausblick mitten in den Wolken zu stehen, lässt einen heißen Kaffee und Frühstück sehr magnetische Wirkung entfalten. Also steigen wir den Poon Hill wieder hinab – und erhaschen unterwegs immerhin noch hier und da einen kurzen Blick auf die Berge. Sogar mit Sonnenaufgang.
In der Lodge angekommen, packen wir eben die großen Rucksäcke und setzen uns dann zum Frühstück. Dann erzählt Dipak uns, dass seine Mutter ihn angerufen hätte, weil es vorhin ein Erdbeben gab. Sie wollte wissen, ob es ihm gut geht. Das Erdbeben muss genau dann gewesen sein, als wir zum Poon Hill aufgebrochen sind – gemerkt haben wir davon aber zum Glück nichts. Sicherheitshalber setzen wir aber schnell eine Nachricht nach Hause ab, dass es uns gut geht.
Frisch gestärkt mit Omelett starten wir dann auf unsere vorletzte Etappe. Es soll bis nach Ghandruk gehen. Die vielen Höhenmeter, die wir uns nach Ghorepani hochgeschraubt haben, dürfen wir nun wieder bergab gehen. Damit das aber nicht zu einfach wird, steigen wir gleich zu Beginn natürlich erst mal noch ein paar knackige Höhenmeter auf. Wäre ja auch langweilig sonst. Durch dichten Nebelwald, der heute seinem Namen wirklich zur Ehre gereicht, kraxeln wir hinauf – und dann hinunter. Und dann wieder hinauf… aber im Großen und Ganzen doch hinunter.
Es ist bitterkalt und so sind wir froh, als wir unterwegs in einer Lodge mit Ofen Teepause machen. Im Fernseher laufen die Nachrichten mit den neuesten Meldungen zum Erdbeben. Es scheint halbwegs glimpflich ausgegangen zu sein.
Wir stapfen weiter durch den Nebelwald – es geht nun wirklich fast nur noch bergab – und steigen dabei fast so viele Treppenstufen hinab wie wir vor zwei Tagen hinaufgestiegen sind. Über kurz oder lang machen sich daher natürlich auch die Knie bemerkbar und so freuen wir uns, in der Mittagspause eine Weile sitzen zu können. Das Essen ist richtig lecker und im Anschluss machen wir noch ein Gruppenfoto.
Die letzten Meter werden dann noch etwas länger als laut Reisebeschreibung geplant, denn wir übernachten nicht in Tadapani, sondern laufen weiter bis nach Ghandruk. Das liegt noch mal ein paar hundert Höhenmeter tiefer und ist daher einige Grad wärmer. Außerdem gibt es mehr und bessere Lodges. Die Aussicht auf ein paar Grad mehr ist tatsächlich das, was uns beflügelt, unsere malträtierten Knie noch etwas länger zu quälen.
Die ganze Kraxelei soll sich aber richtig lohnen – und so kommen wir nach einem langen Tag an unserer Lodge in Ghorepani an. Eindeutig die schönste, die wir bisher hatten.
Unsere Zimmer haben sogar jedes ein eigenes Bad mit Dusche! Bei den Duschen handelt es sich um Solarduschen. Das wäre an sich kein Thema weiter – hätte es nicht seit gestern Mittag schon keine Sonne mehr gegeben. Brrrr…
Wir lassen den Tag in der Dinnerhall ausklingen, schreiben noch Postkarten und nach einem üppigen Essen gönnen wir uns dann auch noch Apfelkuchen mit Schokosauce. Mega lecker, aber viiiiel zu viel. Dick und rund kugeln wir uns später in unsere Betten – die letzte Nacht auf dem Trek. Morgen geht es zurück nach Pokhara.
Gesamtanstieg: 807 m
Gesamtabstieg: -1628 m
Gesamtzeit: 07:09:31