Achtung, hier kommt ein Blog-Beitrag ohne Fotos! Die Kamera bleibt heute nämlich mal zu Hause. ;-)
Heute soll es also losgehen mit meinem Projekt. Ich bin schon mächtig gespannt und mache mich morgens (nachdem das Wasser fürs Reservoir diesmal bereits vor Mitternacht anfing zu laufen, ich aber zu müde war, um mich drum zu scheren) wieder per Taxi auf den Weg zum alten Haus meiner Gastfamilie, wo das Frühstück für mich schon bereitsteht. Meine Familie ist längst aus dem Haus, aber ich werde erst um zehn von Daniela abgeholt, so dass ich noch alle Zeit der Welt hatte. Ich mache es mir also beim Frühstück mit einem Buch bequem und nutze noch ein wenig das Internet. Dann kommt Daniela vorbei und bringt mich erstmal ins Büro von ProjectsAbroad, wo William, der Chef vons Ganze, mir eine Einführung gibt und mir insbesondere auch erklärt, was eigentlich mit dem ganzen Geld passiert, was ich für die Freiwilligenarbeit bezahle. So wird es zum Beispiel verwendet, um Materialien für die Schulen und Kindergärten zu besorgen, wenn die Freiwilligen irgendwelche Aktionen planen (und z.B. Papier brauchen oder Schminkfarben oder Farbe, um die Schule zu streichen etc.). Ein guter Teil des Geldes geht außerdem auch in die Organisation eines kostenlosen Englischunterrichts für alle Kinder der Stadt, die gerne Englisch lernen möchten. Dieser findet immer nachmittags nach der Schule statt und wird von vielen Freiwilligen unterstützt. Jedenfalls fühle ich mich anschließend schon besser und der abstruse Preis fängt an, etwas Sinn zu bekommen. Anschließend bekomme ich noch Informationen über mein Projekt. Ich werde in einem Kindergarten arbeiten und in einer Gruppe von 32 fünfjährigen helfen, die derzeit von einer einzigen Erzieherin betreut werden. Dabei kommen viele der Kinder aus schwierigen Verhältnissen, weil ihre Eltern zum Großteil selbst noch sehr jung sind. So ist es keine Seltenheit, dass 18jährige bereits zwei Kinder haben – und mit der Erziehung vollständig überfordert sind. Entsprechend wild sind die Kinder und kennen weder Regeln noch Benehmen. Na, das kann ja heiter werden ;-)
Anschließend führt Daniela mich ein wenig durch die Stadt, um mir die wichtigsten Dinge zu zeigen: die Post (braucht man so was heute eigentlich noch?), die Geldautomaten, ein Café, in dem sich viele Freiwillige öfter aufhalten und natürlich die Schule. In der Schule gehen wir in die Gruppe, in der ich arbeiten werde, um mich kurz vorzustellen. Wir öffnen die Tür, treten ein, sehen eine Horde einigermaßen einheitlich in weiße Poloshirts und blaue Hosen gekleidete Kinder und noch bevor ich auch nur ein Wort sagen kann, kleben mir etwa zehn Kinder am Bauch (oder an den Beinen, je nachdem, wie weit sie eben reichen) und drücken mich. Ein kleiner Junge springt mich direkt an und ich kann noch schnell zufassen, so dass ich ihn auf dem Arm habe. Ich bin vollkommen überwältigt. Nachdem die ersten Kids von mir ablassen, werden sie nahtlos von den nächsten abgelöst, die wiederum die noch verbleibenden begeistert aufrufen, gefälligst auch zum Umarmen zu kommen. Unglaublich. Wir tauschen die ersten Sätze aus, ich stelle mich vor, erfahre, dass der Junge auf meinem Arm, der immer noch am Kuscheln ist, Matias heißt und so langsam kann ich mich befreien, um zumindest mal mit der Erzieherin zu reden. Ich lerne noch einmal, dass viele der Kids besondere Aufmerksamkeit benötigen, aber auch, dass sie alle bereits ihren Vor- und Zunamen schreiben und im Zahlenraum bis zehn rechnen können. An einer kurzen Präsentation der Rechenkünste merke ich, dass man hier nicht mit Äpfeln und Birnen rechnet, sondern mit Orangen: „Hey Kinder, wenn ich acht Orangen habe und die Lehrerin hier (damit meint sie mich) mir noch zwei Orangen gibt, wie viele habe ich dann?“ Nun gut, die Ergebnisse reichen von drei über sechs bis zehn und so bekommt der kleine Schlaumeier mit dem richtigen Ergebnis ein anerkennendes Kopfnicken von mir. In den nächsten Tagen wird es also meine Aufgabe sein, den Kindern etwas Gehorsam beizubringen und die Lehrerin (die Erzieherinnen heißen hier Professoras) zu unterstützen. Ein paar kreative Ideen in Sachen Mathe-Lernen wünscht sie sich. Und Tangram spielen (und nein, das ist nichts unanständiges, das ist Figuren legen aus verschieden geformten Teilen).
Nach dieser Respekt einflößenden, aber auch ermutigenden Erfahrung kehre ich mit Daniela ins Büro zurück und schreibe noch ein wenig am Blog. Von dort geht es dann zurück nach Hause, wo ich gerade richtig zum Mittagessen komme. Plötzlich kommt die Schwester von Carlos (die irgendwie mit ihrer Tochter mit im Haus wohnt, glaube ich) herein und bittet mich, ob es wohl möglich sei, dass ich ihrer Tochter und Angelica ein wenig Englischunterricht gebe. Nun gut… ich hab ja nur vormittags Projekt, da kann ich am Abend bestimmt noch ein Stündchen einschieben. Wird sicher lustig.
Den Nachmittag verbringe ich größtenteils im Café Mockingbird, wo sich diverse Freiwillige wohl öfter aufhalten sollen. Ich treffe erstmal niemanden an, aber dafür lerne ich zwei Mädels aus Australien kennen und wir haben viel Spaß beim Quatschen. Ach ja, und der Kaffee hier ist echt unschlagbar, so dass ich direkt drei Tassen hintereinander trinke. Und jetzt ist es Zeit zum Aufbrechen, wenn ich noch rechtzeitig zu meiner ersten Englisch-Lektion kommen will. Ich bin gespannt.
So, kaum zu Hause angekommen, ging es auch schon los mit Englisch-Hausaufgaben. Nachdem das erledigt war, haben wir noch ein bisschen Konversation geübt: einkaufen, erzählen, was man am Tag vorher erlebt hat und so was. War insgesamt eine witzige Angelegenheit. Nach dem Abendessen bin ich mit Angelica noch ein bisschen durch die Stadt spaziert und danach ging es ab ins Bett.